Vertriebsschwächen bei Pharma- und Medizintechnik
Haben die Vertriebsverantwortlichen von Pharma- und Medizintechnikprodukten angesichts von Margenverfall, Preisdumping und geänderter Rahmenbedingungen ihre Strategie angepasst? Was erwarten die Kunden? Welche Kompetenzen sind im Vertrieb erfolgsentscheidend? Wo bestehen Vertriebsschwächen? Eine Studie des Weisendorfer SPS-Instituts verdeutlicht, wie sich der Markt verändert hat und in welcher Hinsicht die Industrie Veränderungsbedarf hat.
Vertriebsschwächen: Keine gelebte Kundenorientierung
Nur 15 Prozent der Vertriebsmitarbeiter von Pharma- und Medizintechnikunternehmen beherrschen die gelebte Kundenorientierung und verstehen es, diese – zum wechselseitigen Nutzen von Verkäufer und Kunden – zu kommerzialisieren. Dies ist ein zentrales Ergebnis einer repräsentativen Vertriebsstudie des SPS-Instituts im fränkischen Weisendorf. Ziel der Studie war es unter anderem zu ermitteln, in welchem Maße die Pharma- und Medizintechnikindustrie ihre Vertriebsstrategien bereits an die neuen Anforderungen ihrer Kunden angepasst hat. „Die Studie belegt eindeutig, dass die Industrie noch sehr den herkömmlichen Strategien und dem lange üblichen Verkaufsverhalten verhaftet ist“, fasst Fred R. Strauß, Geschäftsführer des SPS-Instituts, das Ergebnis zusammen.
Lösungen statt Produkte
Während zukunftsorientierte Wirtschaftsleiter, Einkaufs- und Krankenhausmanager heutzutage erwarteten, dass ihnen Lösungen angeboten würden, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind, bieten 87 Prozent der rund 800 befragten Vertriebsmitarbeiter ausschließlich indikationsbezogene Insellösungen an, die nur in geringem Maße zu einer Optimierung der Wertschöpfungskette ihrer Kunden beitragen. „Die Kliniken benötigen jedoch keine Produktlieferanten mehr, sondern erwarten innovative Lösungen, die zu ihren Wertschöpfungszielen passen“, erklärt Fred R. Strauß. Die SPS-Studie belegt indes, dass sich nur jeder dritte Vertriebsmitarbeiter konsequent an den Zielen seiner Kunden orientiert. Und somit in der Lage ist, eine konzeptionelle Zusammenarbeit zu etablieren.
Vertriebsschwächen: Kompetenzen fehlen
78 Prozent der befragten Vertriebler kennen zwar das relevante Buying-Center im Kontext der Kundenziele. Doch nur etwa jedem Dritten gelingt die folgerichtige Zuordnung der Entscheider, da sich infolge der neuen Beschaffungspolitik auch die Zuständigkeiten verändert haben. Außerdem mangelt es zwei Drittel der Befragten an der erforderlichen Kompetenz, um Ansprechpartner auf einer höheren hierarchischen Ebene zu überzeugen und mit ihnen erfolgreich zu verhandeln.
Ebenfalls eklatant sind die Vertriebsschwächen hinsichtlich des strategisches Verkaufens. Drei Viertel der befragten Vertriebsmitarbeiter weisen diesbezüglich erhebliche Defizite auf. „Trotz eines oftmals sehr engagierten Vertriebs erreichen die Unternehmen daher ihre definierten Umsatzziele nicht mehr“, weiß Fred R. Strauß.
Individualanbieter statt Massenproduktverkauf
Die Studienergebnisse belegen, dass es einer hohen Kontaktqualität zwischen den Beteiligten bedarf, um die Kundenbeziehungen systematisch zu managen. Die Kontaktqualität indes ist nicht nur eine Frage des zeitlichen Aufwands, sondern in erster Linie eine Frage des persönlichen Interesses. Verkäufer, die akzeptierte Partner ihrer Kunden werden sollen, müssen deren Ziele kennen.
Die SPS-Studie zeigt indes, dass es drei Viertel der Unternehmen nicht interessiert, welches Produkt, welche Leistungen der Kunde braucht. „Doch nur wer den Fokus auf den für Kunden wesentlichen Nutzen richtet, kann ein Produkt bzw. eine Leistung exakt den jeweiligen Kundenbedürfnissen anpassen (Customizing) und sich auf diese Weise als Individualanbieter profilieren“, erklärt Vertriebsexperte Fred R. Strauß. Der außerdem darauf hinweist, dass sich Kunden auf diese Weise auch langfristig besser binden lassen.
Erheblicher Qualifizierungsbedarf
Um diesen Wechsel der Vertriebsphilosophie erfolgreich umzusetzen, benötigen die Verkäufer andere Kompetenzen als bislang. Doch auch hier werden Vertriebsschwächen deutlich, zeigt die SPS-Studie. 98 Prozent der Verkäufer verfügen über eine hohe Produkt- und Produktanwendungskompetenz. Doch die allein reicht künftig nicht. Die benötigten BWL-Kenntnisse, das Wissen über Prozessabläufe und das Know-how, Elemente des Consultative Sellings anzuwenden, haben erst 30 Prozent der Befragten. „Mithilfe dieser neuen Kompetenzen fällt es Außendienstmitarbeitern leichter, ihre Kunden nutzbringend zu beraten, sich in die Bedarfsstruktur des Kunden zu integrieren und optimale Lösungen anzubieten“, weiß Fred R. Strauß.
Er betont aber auch, dass die Vertriebsmitarbeiter zudem wissen müssen, wie sie zum Beispiel ein Buying-Center in den unterschiedlichen Phasen des Verkaufsprozesses wirksam bearbeiten. Wie sie die zentralen Hindernisse für eine Kaufentscheidung beim Kunden analysieren und relevante Personen sowie Gremien für Kaufentscheidungen identifizieren. Erst dann können sie Bedarfsfelder und damit Ansatzpunkte für den Verkaufsprozess zutreffend ermitteln. Und dann eine tragfähige Vertriebsstrategie entwickeln, um Kunden wirksam beim Erreichen ihrer Ziele zu unterstützen.
Neupositionierung statt Tageshektik
Die Ergebnisse der Vertriebsstudie belegen, dass erst sehr wenige Unternehmen den neuen Vertriebsanforderungen gerecht werden. „Damit ein systematisches Gestalten der Kundenbeziehung erfolgreich ist, bedarf es eines Gesamtkonzepts, hinter dem das Management konsequent stehen sollte“, betont Fred R. Strauß. Ansonsten bleibe es bei der Tageshektik, statt einer strategischen Neupositionierung. Deren Erfolg hängt davon ab, dass tatsächlich umgedacht und Vertriebsschwächen systematisch beseitigt werden, auf Führungs- wie auf Mitarbeiterebene. Jedem müsse klar sein, so der Geschäftsführer des SPS-Instituts, dass es nicht mehr darum geht, Kunden für die eigenen Produkte, sondern Produkte und Lösungen für die Kunden zu finden.
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