Bewerbungs-Ghostwriting: Bringt das was?
„Es mag noch nicht über 50 Jahre seyn, daß in Cöln die sogenannten Heinzelmännchen ihr abentheuerliches Wesen trieben. Kleine nackende Männchen waren es, die allerhand thaten; Brodbacken, waschen und dergleichen Hausarbeiten mehrere; so wurde erzählt, doch hatte sie Niemand gesehen.“ 1826 erzählte das Ernst Weyden in seiner Geschichte aus „Cöln’s Vorzeit“.
Nun ist der Bedarf an still, leise und von unsichtbarer Hand erledigten Aufgaben in den letzten 250 Jahren mit Sicherheit nicht verschwunden. Nicht nur bei wenig beliebter Hausarbeit. Es müssen allerdings keine nackenden kleinen Männchen mehr sein, die nachts arbeitend durch die Wohnung tapern – dank moderner Technik und Internet. So ziemlich alles lässt sich auf diesem Wege beschaffen.
Nur umsonst ist es nicht. Für ein Bewerbungs-Ghostwriting Heinzelmännchen müssen Sie – je nach Anbieter und eigenem beruflichen Level – ein paar hundert Euronen in die Hand nehmen. Das Versprechen: Eine maßgeschneiderte und individuell auf Sie zugeschnittene Bewerbung. Eine gute Idee – prinzipiell, denken Sie. Und dann vielleicht: Wirklich eine gute Idee?
Warum macht man das?
- Die Vorteile liegen so offen auf der Hand. Vordergründig zumindest. Man hat eine Aufgabe, die Zeit und Mühe kostet, vom Hals. Außerdem muss man sich nicht über das informieren, was heute so Standard ist bei Bewerbungen. Sie ist einfach bequem, diese Lösung.
- Man hat das Geld, man braucht Unterlagen. Warum also die Dienstleistung nicht kaufen?
- Die Zeit. Vor allem die, die man nicht hat. Nach einem langen Arbeitstag hat man nicht mehr die Nerven und die Muße für die Aufgabe. Und statt ein Wochenende denkend (und bisweilen fluchend) am Schreibtisch zu verbringen, erholt man sich doch viel lieber und macht sich fit für die nächste Arbeitswoche.
- Die Gewohnheit. Im Job delegiert man als Führungskraft ja auch Aufgaben!
- Last but not least: Der oft ehrlichste Grund, den sich viele aber nicht eingestehen wollen. Weil man es sich nicht zutraut und weil man es nicht wirklich kann. Auch möchte man niemanden fragen. Weil sowieso jeder etwas anderes als die richtige, die perfekte Bewerbung empfindet. Und weil man das Gefühl der Unsicherheit, ob das eigene Vorgehen wirklich zielführend ist, gerne loshaben möchte.
Bewerbungs-Ghostwriting als legitimes Mittel?
Bleibt die Frage, wie so ein Bewerbungs-Ghostwriting bewertet wird. Als legitimes Mittel, sich das Leben leichter zu machen wie Zimmer streichen lassen? Als feiges Durchmogeln? Oder gar als Betrug? Ich vermute, dass die Empfänger von Bewerbungen tendenziell zur letzten Einschätzung neigen werden. Und gehen Sie nicht davon aus, dass das doch keiner merken wird!
Zum Schluss vergessen Sie eines nicht: Wenn Sie tatsächlich eingeladen werden zum Vorstellungsgespräch, dann sollten Sie mir der Person, wie sie in den Unterlagen präsentiert wird, ein hohes Maß an Ähnlichkeit aufweisen. Denn natürlich macht sich der Leser Ihrer Unterlagen ein Bild von Ihnen. Ihrem Auftreten, Ihrer der Art des Sprechens, der Wahl der Worte im Gespräch, Ihrer Art zu argumentieren – ganz allgemein von Ihrer Ausstrahlung. Wenn dann Schriftform und Live-Performance nicht zusammenpassen …
Ehrlich währt einfach am längsten. Die Mühe ist es wert.
Ihre Sabine Kanzler
Aus Gründen des Jugenschutzes und der guten Stitten wurden im Bild oben die Heinzelmännchen bekleidet …
Bild: todd.vision | flickr.com | CC BY 2.0 | Ausschnitt