Empfehlungspsychologie: Wie das Empfehlen funktioniert

Die Zeiten ändern sich. Werbung, auf die zu achten es sich lohnt, kommt nun vornehmlich aus dem Kreis der vernetzten Verbraucher. Denn Empfehler schaffen das, was Werbung nicht mehr schaffen kann: Vertrauen. Empfehlungen sind der neue Kaufauslöser Nummer Eins. Deshalb ist ein Heer aktiver Empfehler das beste Umsatz-Boosting aller Zeiten. Und das Verstehen der Empfehlungspsychologie der Schlüssel, um Empfehler für sich zu gewinnen.

empfehlungspsychologie

„Die Gesellschaft der Zukunft ist zum Vertrauen verdammt“, schreibt der Philosoph Peter Sloterdijk. Dabei können wohlmeinende Dritte uns eine große Hilfe sein, weil deren helfende Hand den Zaudernden vertrauensvoll führt. Sie erzeugen Reputationsvertrauen und machen unserem Hirn die Arbeit ganz leicht. „Wenn mein guter Freund mir die Marke x empfiehlt, kann ich sorglos zugreifen“, denkt der geneigte Verbraucher und kauft.

Empfehlungspsychologie: Über „Likes“ und „Dislikes“

So haben die wichtigsten Komplexitätsreduzierer eine menschliche Gestalt. Wir finden sie als Tippgeber in unserem realen Umfeld wie auch in der virtuellen Realität: In privaten Netzwerken, in Business-Networks und im Social Web. Ihre „Likes“ und „Dislikes“ machen uns das Leben leicht und bequem. Sie sind das Bindeglied zwischen Gewohntem und Ungewissheit. Sie legen Trittsteine und machen den Weg ungefährlich und frei. Genau deshalb ist empfohlenes Geschäft auch so leicht zu bekommen.

Wessen Empfehlungen wir am meisten trauen

Zwischenmenschliche Beziehungen färben und lenken sehr stark, was wir für gut oder schlecht befinden. Manches erscheint uns nur deshalb begehrenswert, weil andere es haben – oder wollen. Soziale Ansteckung nennt man das auch. Wir sind so verdrahtet, dass wir mit denen mitschwingen, die in unserer Nähe sind. Der Schutz der Gruppe gibt uns außerdem Sicherheit. Was viele denken, glauben und tun, das kann so falsch nicht sein.

Im Web findet man oft hunderte von Menschen, die das Produkt, das man kaufen will, schon getestet haben. Auf wessen Rat legen wir dabei besonderen wert? Und welchen „Bekannten“ werden wir letztlich am meisten vertrauen? Mit dieser Frage hat sich die Studentin Sandra Stefan in Kooperation mit dem Word-of-Mouth-Spezialisten Buzzer in ihrer Masterarbeit beschäftigt. Dazu hat sie mehr als 1000 Personen online befragt.

Kaum verwunderlich: Am glaubwürdigsten werden Onlineempfehlungen eingeschätzt, die von engen Freunden, weitläufigen Bekannten und anerkannten Experten kommen. Mit etwas Abstand folgen Freundesfreunde. Weit weniger glaubwürdig sind Empfehlungen von Prominenten. Am wenigsten vertrauen die Befragten auf Empfehlungen völlig unbekannter Personen. Wobei immerhin noch rund 40 Prozent auch hier kaum ein Glaubwürdigkeitsproblem sehen.

Empfehlungen sind äußerst emotional

Weiterempfehlungen sind das Wertvollste, das ein Anbieter von seinen Kunden bekommen kann. Diese werden allerdings erst dann ausgesprochen, wenn man sich seiner Sache absolut sicher ist. Denn mit jeder Empfehlung steht ja immer auch die eigene Reputation auf dem Spiel. Nur, wenn man etwas geboten bekommt, worüber es sich zu reden lohnt – womit man sich also schmücken und bei Anderen punkten kann – nur dann wird man eifrig berichten.

Das Empfehlen ist äußerst emotional. Es muss funken zwischen Anbieter und Kunde. So gilt es, Kopf und Herz seiner aktuellen und potenziellen Kunden zu berühren. Nur, wer von Ihrer Sache restlos überzeugt und Ihnen wohl gesonnen ist, wird als Empfehler aktiv. Doch selbst das beste Produkt nutzt wenig, wenn es letztlich an Sympathie mangelt. Wen wir nicht leiden können, den empfehlen wir nicht.

Diese Überlegungen lassen sich in eine einfache Formel bringen:

Kennen + klasse finden + gerne mögen = weiterempfehlen

  • Kennen heißt: Ich kenne es UND mein Netzwerk kennt es.
  • Klasse finden heißt: Ich UND mein Netzwerk finden es klasse.
  • Gerne mögen heißt: Ich UND mein Netzwerk mögen es.

Es ist ganz erstaunlich, wie viel Energie Marktteilnehmer bisweilen investieren, um über ihre Lieblingsmarken zu reden und sie anderen schmackhaft zu machen. Um diese Erkenntnis für die eigene Arbeit nutzen zu können, ist es hilfreich, die Empfehlungspsychologie im Beziehungsdreieck zwischen Empfehlendem, Empfehlungsempfänger und empfohlenem Unternehmen gut zu verstehen.

Warum Empfehlungen uns so wichtig sind

Verlässliche Empfehlungen Dritter geben uns Orientierung. Sie verkürzen Entscheidungsprozesse und verringern das Risiko einer bedrohlichen Fehlentscheidung. Sie reduzieren Enttäuschungsgefahr und schaffen Sicherheit. Und sie helfen uns, eine Menge wertvoller Zeit zu sparen. Sie sorgen, wie die Hirnforscher sagen, für „Brain-Convenience“ und geben uns „Peace of Mind“. So etwas mag unser Oberstübchen übrigens besonders gern.

Wir greifen vor allem dann auf eine Empfehlung zurück, wenn

  • es schwierig oder aufwändig ist, sich einen Überblick über den jeweiligen Markt, alle Anbieter und ihre Leistungen zu verschaffen,
  • Angebote komplex oder stark erklärungsbedürftig sind,
  • uns die notwendige Fachkenntnis und die notwendige Muße fehlt,
  • Produkte verhältnismäßig teuer sind,
  • wir ein langfristiges Engagement eingehen müssen,
  • wir uns einen Fehlkauf nicht leisten oder uns nicht entscheiden können,
  • um unsere Sicherheit geht,
  • um ein hohes Maß an Vertrauen geht.

Also immer dann, wenn wir uns einer Sache nicht sicher sind, hören wir auf die, die ihre praktischen Erfahrungen sehr freigiebig mit uns teilen: wohlwollenden Empfehlern.

Empfehlungspsychologie: Warum empfehlen Menschen?

So banal das auch klingt: Unternehmen müssen empfehlenswert sein, um empfohlen zu werden. Nur, wenn man etwas geboten bekommt, worüber es sich zu reden lohnt – womit man sich also schmücken und bei Anderen punkten kann – nur dann wird man eifrig berichten.

Empfehlungsbereitschaft setzt aber nicht nur bemerkenswerte Produktfeatures, sondern immer auch Beziehungsarbeit voraus. Dazu braucht es Menschenversteher-Wissen – und Superlative. Mittelmaß wird nämlich niemals empfohlen. Erst im Bereich der Spitzen, wenn wir also zutiefst zufrieden oder unzufrieden sind, werden wir empfehlungs- oder abratungsaktiv.

Empfehlungsbereitschaft entsteht insbesondere dann, wenn man

  • durch das Empfehlungsgut seiner Persönlichkeit Ausdruck verleihen kann,
  • dadurch Coolness und Geltungsbedürfnis nähren kann,
  • zum Wohlergehen Anderer beitragen kann,
  • sich durch Insider-Wissen oder als Vorreiter profilieren kann,
  • sich zugehörig und als Teil einer Gemeinschaft fühlen kann,
  • in Entstehungsprozesse mitgestaltend involviert wurde,
  • etwas Unterhaltsames oder Sensationelles entdeckt,
  • etwas völlig Neues oder sehr Exklusives offeriert bekommt,
  • überaus Nützliches oder Begehrenswertes angeboten bekommt und
  • wenn es etwas zum Gewinnen oder zum (miteinander) Spielen gibt.

Die Empfehlungspsychologie auf einen Nenner gebracht: Menschen wollen nicht nur Geld und Spaß, sie wollen sich auch als „wichtig“ erleben. Sie wollen Sinnhaftes tun. Und Spuren hinterlassen. Und als geschätztes Mitglied einer Gemeinschaft gelten. Wer ihnen dazu verhilft, dem wird dies mit massenhaft wirksamem Empfehlen vergolten.

Ein schöner Nebeneffekt: Die, die ein Unternehmen mit Inbrunst und Leidenschaft weiterempfehlen, werden dieses kaum mehr verlassen. So kommt man dann zu Fan-Kunden mit quasi eingebauter Bleibe-Garantie.

Warum das Empfehlungsmarketing immer wichtiger wird

Eines kann schon heute als sicher gelten: Die Bedeutung des Empfehlungsmarketing wird weiter steigen. Deshalb ist es wichtig, die Empfehlungspsychologie zu verstehen. Diese Entwicklung hat nicht nur mit dem rasanten Siegeslauf von Tablets, Smartphones & Co. zu tun, sie wird auch befeuert von folgenden Gründen:

  1. Vertrauensbonus: „Willst Du, dass man Gutes von Dir sagt, so sage es nicht selbst.“ Dieses Zitat von Blaise Pascal, einem französischen Philosophen aus dem 17. Jahrhundert, ist aktueller als je zuvor. Denn die als Testimonial agierenden Kunden verschaffen Anbietern einen Vertrauensbonus. Sie machen neugierig und verbreiten Kauflaune. Sie wirken glaubhaft und neutral. Ihre Empfehlungen basieren auf Erfahrungswissen. Sie sind für den Empfänger wie maßgeschneidert und haben Relevanz. So verringern Empfehler Streuverluste auf Anbieterseite und reduzieren Kaufwiderstände bei Kunden.
  2. Datenschutz: Die sich weiter verschärfenden Datenschutzgesetze wie auch die zunehmenden technologischen Möglichkeiten, sich vor unerwünschter Werbung zu schützen, machen es Unternehmen immer schwieriger, Interessenten „kalt“ anzusprechen. Eine unpassende Kontaktaufnahme kann heute nicht nur zu Fehlinvestitionen und rechtlichen Konsequenzen, sondern auch zu schwerwiegenden Reputationsschäden führen. Ein Empfehler hingegen schafft nicht nur Wärme, sondern auch ein perfektes Entrée.
  3. Komplexitätsreduzierung: Bei zunehmend uferloser Informationsüberflutung werden smarte Türsteher (Gatekeeper), die Relevantes herauszufiltern und die Spreu vom Weizen trennen, zu einer überlebenswichtigen Notwendigkeit. Hier geben uns verlässliche Empfehlungen Dritter, wie wir eingangs schon sahen, Orientierung im Dschungel der Möglichkeiten. Sie verkürzen Entscheidungsprozesse. Sie ersetzen mangelndes Wissen und verringern so das Risiko einer Fehlentscheidung mit Nebenwirkungen. Genau deshalb folgen wir Empfehlern oft nahezu blind.

Umsatz-Boosting durch Verstehen der Empfehlungspsychologie

Kunden, die aufgrund einer Empfehlung gewonnen wurden, sind besonders wertvolle Kunden. Ob auch bei Ihnen Empfehler und die durch sie gewonnenen Kunden die wertvollsten sind, das lässt sich zum Beispiel wie folgt ermitteln:

  • Wie hoch ist, wenn Sie Verkaufstermine machen, die Terminquote bei empfohlenem Geschäft? Und bei nicht empfohlenem?
  • Wie lange dauert es bis zum Abschluss bei empfohlenem Geschäft? Und bei nicht empfohlenem?
  • Wie hoch ist die Abschlussquote bei empfohlenem Geschäft? Und bei nicht empfohlenem?
  • Wie teuer ist ein neu gewonnener Kunde, wenn er aufgrund einer Empfehlung kommt? Und wie teuer ist er im Fall anderer Sales- & Marketing-Aktivitäten?
  • Wie hoch sind die durchschnittlichen Umsätze bei empfohlenem Geschäft? Und bei nicht empfohlenem?
  • Wie stark spielen Rabatte beziehungsweise Sonderkonditionen eine Rolle bei empfohlenem Geschäft? Und bei nicht empfohlenem?
  • Mit welcher Wahrscheinlichkeit werden Empfehlungsempfänger, die Kunde wurden, selbst als Empfehler aktiv?
  • Welche Kundenkreise und Branchen empfehlen am ehesten weiter?
  • Gibt es geschlechterspezifische, regionale oder nationale Unterschiede?

Auf Basis der durch die Empfehlungspsychologie gewonnenen Ergebnisse lassen sich dann konkrete Maßnahmen erarbeiten, um das derzeitige Empfehlungsgeschäft weiter zu steigern. Und das ist auch gut so. Denn in unserer immer stärker durch Social Media und Mobile Marketing geprägten Zukunft wird ein professionelles Empfehlungsmanagement die wichtigste Rolle spielen. Es gehört an die erste Stelle im Marketingplan.

Anne M. Schüller

www.touchpoint-management.de

Bild: geralt | pixabay.com

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