Kundennutzen ermitteln: Beispiele und Tipps
Wenn Menschen sich zu einem Kauf entschließen, dann weil sie für sich einen ganz konkreten Nutzen sehen. Zuweilen wird diese Erwartungshaltung enttäuscht und der erhoffte Kundennutzen stellt sich nicht ein. Zum Zeitpunkt des Kaufes war man jedoch noch davon überzeugt, dass das Produkt oder die Dienstleistung nützlich war. Sonst hätte man das Geld ja nicht ausgegeben.
Unterscheidung zwischen Merkmal, Vorteil und Kundennutzen
Wir wollen die Angelegenheit deshalb nur aus Sicht des Verkaufs betrachten und uns nicht mit der Verbesserung des Produktes oder der Dienstleistung beschäftigen. Stattdessen wird es um die Frage gehen, welchen Nutzen der Kunde von einem gegebenen Produkt oder der Dienstleistung hat.
Dazu unterscheiden wir zwischen Merkmal, Vorteil und Nutzen. Um diesen Unterschied zu verdeutlichen stellen wir uns ein Motorrad als Anschauungsobjekt vor. Es hat zwei Räder und ist ungefähr einen Meter breit. Und? Werden Sie sich zu Recht fragen, denn es handelt sich lediglich um zwei Eigenschaften, die natürlich keinen Anreiz zu einem Kauf erzeugen. Stattdessen provoziert man mit bloßen Merkmalen unberechenbare Denkvorgänge beim Kunden. Sagen Sie etwa „der Wagen hat satte 300 PS“, könnte der Kunde denken „tolle Beschleunigung“, genauso aber „zu hoher Benzinverbrauch“.
Merkmale gehören nicht ins Verkaufsgespräch
Relevante Merkmale können aber auch als Vorteil formuliert werden. So hat das Motorrad das Merkmal und den Vorteil, dass es wenig Platz zum Abstellen benötigt, was besonders in Städten nützlich sein kann. Auch Staus lassen sich beispielsweise umfahren. Das spart Zeit.
Diese Vorteile können formuliert werden, ohne dass ein besonderer Kunde gemeint ist. Daher sind die Vorteile nicht zwingend vom Vertrieb zu benennen. Dafür kann stattdessen eine gute Marketing-Abteilung sorgen, dass alle Aussagen in Vorteile umformuliert werden. Zum Beispiel auf Websites, Produktverpackungen oder Prospekten. Bloße Merkmale gehören in ein Datenblatt. In einem Verkaufsgespräch haben sie nichts verloren.
Vorteil gleich Kundennutzen?
Was aber nützt das beste Motorrad, wenn man keinen Führerschein hat? An dieser Stelle wird es ganz klar: Ein Vorteil ist lediglich ein potenzieller Nutzen. Den eigentlichen Nutzen kann man nur anhand der individuellen Kundensicht ermitteln. Manch ein Kunde entschließt sich für ein Motorrad, um schneller zur Arbeit zu kommen, während ein anderer Freunde beeindrucken will und der nächste einfach nur Spaß am Motorradfahren hat.
Worin der individuelle Kundennutzen besteht, lässt sich nur im direkten Kontakt herausfinden. Nur ein Verkäufer, der sich ganz auf die Bedürfnisse des Kunden einstellt, wird den Nutzen ermitteln können. Das ist meist gar nicht so einfach, denn viele Kunden sind sich nicht immer klar, was genau sie wollen.
Wechsel in die Kundenperspektive schwer, aber nötig
Exzellente Verkäufer verstehen sich darauf, die Dinge aus der Kundenperspektive zu betrachten, ein schwieriges Unterfangen, wenn man bedenkt, dass wir Menschen dazu neigen, alles Gehörte autobiografisch zu bewerten. Das bedeutet, dass unser Gehirn alles, was wir sehen, hören und wahrnehmen mit bekannten Mustern abgleicht.
Ein Beispiel: Der Kunde deutet an, dass er sich eine Ersparnis erwartet. Nun mag es dem Verkäufer unter den Nägeln brennen, sofort zu erwähnen, dass es bei einem vergleichbaren Kunden eine Einsparung der Materialkosten in Höhe von drei Prozent gab. Der Kunde allerdings wollte auf etwas ganz anderes hinaus, und zwar auf eine Zeitersparnis. Ist er der erste Kunde, der einen solchen Nutzen erwartet, wird der Verkäufer gar nicht auf die Idee kommen, dass sein Produkt auch diesem Zweck dienen kann.
Das Ego in der Aktentasche
Es ist daher eine bedeutungsvolle Schlüsselaufgabe, den Kundennutzen präzise herauszuarbeiten, um die Leistungsfähigkeit der Vertriebsorganisation auf Dauer zu erhalten. Sich in die Kundenperspektive zu versetzen und das eigene Ego für einen Moment in die Aktentasche zu verbannen, kostet natürlich einiges an Anstrengung. Und Gelassenheit, weiter nach der Sicht des Kunden zu fragen, wenn dieser den Verkäufer zu Beginn des Gespräches auffordert, zu erzählen, was er zu bieten hat …
Ihr Stephan Heinrich
Bild: rockindave1 | flickr.com | CC by 2.0 | Ausschnitt