Der individuelle Kundennutzen
„Kein Interesse“, „Brauchen wir nicht“ oder ähnliche Aussprüche sind Verkäufern nicht fremd. Und mal ganz ehrlich: Die meisten Kunden haben Recht, denn die wenigsten interessieren sich für Ihre Produkte oder Ihre Dienstleistungen, werter Verkäufer. Klingt verwirrend, oder? Soll es auch, zumindest möchte ich Sie ein wenig provozieren.
Es geht hier um eine ganz wesentliche Schwäche so mancher Verkäufer. Um das Ganze deutlich zu machen, stellen Sie sich einmal folgendes vor: Eine Firma vertreibt innovative Produkte, sagen wir etwa Messgeräte und weil es gerade so populär ist, für die Solarindustrie. Es gibt außer dieser Firma natürlich noch eine ganze Reihe anderer Anbieter. Die einen sind billiger, die anderen teurer und wieder andere unterscheiden sich durch den Service.
Die Firma ist schon einige Jahre auf dem Markt und hat nun festgestellt, dass die Bedürfnisse der Solarindustrie ganz besondere Bedürfnisse sind. Man möchte sich darauf einstellen und entwickelt daher ständig neue Produkte. Und plötzlich ist es soweit, die Ingenieure der Firma haben ganze Arbeit geleistet und ein Produkt entwickelt, dass die gesamte Konkurrenz abhängen wird, ein wahrer Durchbruch eben. Nachdem diese ganz besondere Innovation den Verkäufern nun vorgestellt wurde, sind alle voller Tatendrang und es geht ans Verkaufen.
Das Produkt im Mittelpunkt – nicht der Kunde
Und es kommt wie es kommen musste, es läuft einfach nicht, das neue tolle Produkt. Mit Engelszungen versuchen die Verkäufer ihre Kunden von all den vielen Produktvorteilen zu überzeugen. Die Marketingabteilung hat auch ganze Arbeit geleistet und den sogenannten „USP“, oder wie wir auf Deutsch sagen „Alleinstellungsmerkmale“, herausgearbeitet und in ihre Broschüren gestampft. Das Produkt hat schließlich viele neue Funktionen, die frühere Produkte und die Produkte der Konkurrenz nicht haben. Der Kunde lehnt einfach nur dankend ab und macht deutlich, dass er das Produkt nicht braucht. Was ist hier schief gelaufen? Was haben die Verkäufer falsch gemacht? Oder wer sonst ist schuld?
Zur letzten Frage, wer schuld ist, sollten Sie das ganze aus Kundensicht betrachten. Für den Kunden ist immer die Firma, und zwar die ganze Firma schuld. Und hier kommen wir auch zur Lösung des Problems. Verkauf geht immer von unten nach oben und nicht von oben herab. Das heißt, wer den Verkaufsprozess nicht aus Kundensicht sieht, hat schnell verloren, und zwar den Auftrag und gern auch mal den Kunden gleich mit.
Der individuelle Kundennutzen statt Alleinstellungsmerkmal
Diese kleine Geschichte soll verdeutlichen, welcher gravierende Denkfehler in vielen Vertriebsabteilungen vorherrscht. Nämlich, dass man mit Marketing verkauft. Marketing ist jedoch etwas grundsätzlich anderes als Verkaufen. Natürlich hat Marketing eine wichtige Funktion, jedoch nicht die des Verkaufs. Im Marketing wird der sogenannte „USP“ oder „Alleinstellungsmerkmale“ als das goldene Kalb gesehen.
Was hilft ist eine Betrachtungsweise aus Kundensicht. Ist eigentlich auch nichts Neues, wird jedoch oft vergessen. Da wir es ja gern mit Abkürzungen haben, was halten Sie von IKN statt USP? Was soll das denn sein, fragen Sie sich. Damit ist ganz einfach der individuelle Kundennutzen gemeint. Und da er individuell ist, ist dieser auch für jeden Kunden anders.
Entscheidend ist also nicht, was unser Produkt oder unsere Dienstleistung alles tolles beinhaltet und kann, sondern was der Kunde davon wirklich gebrauchen kann. Und leider oder auch zum Glück braucht nicht jeder Kunde das Gleiche. Jeder Kunde kauft vielleicht letztendlich das gleiche Produkt, jedoch immer aus einem anderen Grund.
Kleines Beispiel: Warum kauft jemand ein bestimmtes Mobiltelefon? Für den Einen ist nur das Telefonieren wichtig, vielleicht besonders große Tasten weil er nicht mehr gut sieht. Der Andere möchte damit gern auch Musik hören oder im Internet surfen. All diesen Kunden können Sie das gleiche Gerät verkaufen, wenn es den jeweils individuellen Nutzen für den jeweiligen Kunden enthält. Und genau dafür brauchen wir Verkäufer, die dem Kunden zeigen, wie genau sein Bedürfnis durch das Produkt erfüllt wird, der individuelle Kundennutzen halt.
Kunden benötigen also keine Produkte, sie interessieren sich nur für den individuellen Nutzen.
In diesem Sinne weiterhin viel Spaß im Verkauf.
Herzlichst Ihr
Verkaufsspaßtrainer Tobias Ain.
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