Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit
Die Auseinandersetzung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber hinsichtlich der Leistung und Vergütung von Überstunden ist sicherlich älter als der Arbeitszeitschutz, wie wir ihn kennen. Eine staatliche Regelung der Arbeitszeiten in Deutschland fand das erste Mal im Jahr 1839 statt, als der preußische König Friedrich Wilhelm III. die Kinderarbeit einschränkte. Damals wurde festgelegt, dass Jugendliche unter 16 Jahren maximal zehn Stunden pro Tag in Fabriken eingesetzt und Kinder unter neun Jahren nicht zur Arbeit in der Industrie sowie im Bergbau herangezogen werden durften.
Der Grund für diese Regulierung war allerdings nicht der Schutz der Beschäftigten. Sondern der Umstand, dass aufgrund der gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen nicht mehr genügend Wehrdiensttaugliche zur Verfügung standen (A. Wirtz, Gesundheitliche und soziale Auswirkungen langer Arbeitszeiten, Dortmund/Berlin/Dresden 2010).
Wie viele Stunden darf man arbeiten?
Aktuell gilt in Deutschland das auf einer europäischen Richtlinie aufbauende Arbeitszeitgesetz. Dort ist festgelegt, dass die maximale tägliche Arbeitsdauer grundsätzlich acht Stunden nicht überschreiten darf. In Ausnahmefällen kann die tägliche Arbeitszeit auf zehn Stunden ausgeweitet werden. Somit hat sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts prinzipiell nichts an der gesetzlich erlaubten maximalen Arbeitsdauer geändert (A. Wirtz, ebd.). Die tatsächliche Arbeitszeit dürfte aber regelmäßig den Höchstwert von 40 Stunden in der Woche überschreiten und derzeit noch ansteigen.
Wann spricht man von Mehrarbeit?
Von der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit ist die Frage nach dem individuellen Arbeitszeitsoll, also der vertraglich zu leistenden Arbeitszeit, abzugrenzen. Dieses Arbeitszeitsoll ist entweder im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag festgelegt, oder ergibt sich aus der betriebsüblichen Arbeitszeit. Eine Überschreitung der festgelegten täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit bezeichnet der Arbeitsrechtler als Mehrarbeit – und jetzt fangen die Probleme erst an.
Muss ich Mehrarbeit leisten?
In der arbeitsrechtlichen Praxis gibt es hier im Wesentlichen drei große Streitthemen: „Muss ich überhaupt Mehrarbeit leisten?“, „Wer muss eigentlich wie beweisen, wie viel Mehrarbeit geleistet wurde?“ und „Wie, wenn überhaupt, ist die Mehrarbeit zu vergüten?“
Die Beantwortung der ersten beiden Fragen dürfte bereits den Umfang dieses Beitrages bei Weitem sprengen. Gerade die Arbeitnehmerseite stolpert bei der Geltendmachung der Vergütung von Überstunden über das Dogma, dass die Mehrarbeit vom Arbeitgeber „angeordnet, gebilligt oder geduldet“ wurde. Die in Selbstaufopferung geleistete Mehrarbeit, von der der Arbeitgeber nichts wusste, bleibt dabei meist unbezahlt. Der Arbeitgeber, der seinen Kopf, was die Mehrarbeit angeht, in den Sand steckt, wird an dieser Stelle auch oft belohnt.
In diesem Kontext kann beiden Seiten nur geraten werden, Aufzeichnungen über die Arbeitszeit zu führen. Für den Arbeitnehmer ist dieser Rat aus sich heraus verständlich. Für den Arbeitgeber besteht tatsächlich sogar eine gesetzliche Pflicht zur Aufzeichnung der über 8 Stunden hinausgehenden Arbeitszeit – eine Vorschrift (§ 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz) die wenig befolgt wird, aber mit einem Bußgeld geahndet werden kann.
Überstunden mit dem Gehalt abgegolten?
Bei der Abgeltung der Überstunden wird es dann noch einmal spannend. Gesetzliche Regelungen zur Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit bestehen kaum, was angesichts der Vielzahl an Überstunden, die in Deutschland geleistet werden, verwundert.
Einigkeit herrscht in der Rechtsprechung allerdings seit einiger Zeit dahingehend, dass Arbeitsvertragsklauseln, wonach Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sein sollen („Überstunden sind mit drin.“), zumindest bei „normalen“ Gehaltsgruppen unwirksam sind. Im Übrigen wird man davon ausgehen, dass – hat der Arbeitsnehmer die oben genannte Hürde der Beweisbarkeit überwunden – Überstunden auch zu bezahlen sind bzw. abgebummelt werden dürfen.
Vergütung von Überstunden: Wann muss gezahlt werden?
Dabei gilt, dass Überstunden vorrangig abgebummelt werden müssen, wenn dies so im Arbeitsvertrag steht bzw. ein solches Abbummeln betriebsüblich ist. Der Anspruch auf Freizeitausgleich tritt hier an die Stelle der Vergütung von Überstunden, die der Arbeitnehmer ansonsten verlangen könnte.
Sieht der Arbeitsvertrag (oder ein entsprechender Tarifvertrag) hingegen keine Wahlmöglichkeit zwischen Vergütung und Abfeiern vor, so müssen die Überstunden bezahlt werden. Und zwar auch dann, wenn die gesetzliche zulässige Arbeitszeit überschritten wird. Gleiches gilt, wenn das Abfeiern der Überstunden nicht möglich ist, weil sonst zu viel Arbeit liegen bleibt oder weil z.B. das Arbeitsverhältnis endet. Der Anspruch auf Vergütung von Überstunden kann auch nicht durch einseitige Freistellung von der Arbeit durch den Arbeitgeber („Zwangsbeurlaubung“) umgangen werden.
Der Anspruch auf Freizeitausgleich tritt ferner zum gesetzlichen Urlaubsanspruch hinzu. Eine Verrechnung von Überstundenfreizeitausgleich mit Urlaubstagen ist damit ebenso unzulässig wie die einseitige Anordnung der Anrechnung von Fehlzeiten auf den Urlaubsanspruch, also eine quasi rückwirkende Urlaubserteilung.
Ihr Edmund Fleck
24.07.2014
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