Leistungsorientierte Bezahlung – Die Tücken mit dem Bonus

Veröffentlicht 24.10.2016 | Update 29.07.2021

» Was ist eine Prämie?
» Anforderungen an eine Zielvereinbarung
» Bonus ohne Zielvereinbarung?
» Fazit


Im Vertrieb ist es üblich, neben einem fixen Grundgehalt einen variablen Anteil zu bezahlen. Boni und Provisionen sind dabei von der individuellen Leistung des Mitarbeiters abhängig. Deshalb nennt man das Ganze gemeinhin leistungsorientierte Bezahlung. Solche variablen Vergütungsmodelle dienen als Anreiz und zugleich als Anerkennung für besondere Erfolge. Was auf der einen Seite begrüßenswert erscheint, kann andererseits mit Tücken daher kommen und wird – nicht zu unrecht – bisweilen kritisiert. Beispielsweise gilt die variable Vergütung auf Provisionsbasis als nicht mehr zeitgemäß sowie als unfair. Denn es werden nur Abschlüsse bzw. Verkäufe honoriert und Vertriebler mit anderen Aufgaben gehen leer aus. Stattdessen sollte eine leistungsorientierte Bezahlung im Vertrieb besser auf einer Zielvereinbarung beruhen, so lautet vielfach die Empfehlung.

leistungsorientierte Bezahlung

Bonuszahlungen für erreichte Ziele – und zwar für alle je nach Leistung. Das klingt wesentlich gerechter. Doch auch hier existiert, unter anderem aus juristischer Sicht, die eine oder andere Stolperfalle. Wann handelt es sich um einen Bonus im Sinne leistungsorientierter Bezahlung? Wie muss eine Zielvereinbarung gestaltet sein? Kann man eine Bonuszahlung ohne Zielvereinbarung verlangen? Mit solchen und ähnlichen Fragen hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in der Vergangenheit des Öfteren befasst und durch seine Entscheidungen die Richtung vorgegeben.

Leistungsorientierte Bezahlung durch Prämienlohnsystem?

Wann kann man überhaupt von einer Prämie bzw. einem Bonus sprechen? Bereits im Jahr 2001 erging dazu durch die höchste Instanz der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit eine Entscheidung (Beschluss vom 15.05.2001; ↗ 1 ABR 39/00). Ein Unternehmen der Metallindustrie wollte wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten durch Betriebsvereinbarung ein Prämienlohnsystem einführen. Die individuelle leistungsorientierte Bezahlung sollte danach wie folgt ermittelt werden: »Die Beurteilung der Prämienlöhne erfolgt innerhalb des I. Quartals eines jeden Jahres mit Wirkung vom 01. 04. bis zum 31. 03. des Folgejahres«.

Gegen diese Klausel wandte sich der Betriebsrat. Und zwar mit der Begründung, es handele sich gar nicht um eine Prämienregelung. Das BAG gab dem Betriebsrat recht, weil auf diese Weise keine kontinuierliche Leistungsmessung vorgenommen wird. Vielmehr zählt nur die im 1. Quartal erreichte Leistung als Maßstab für Bonuszahlungen im Folgezeitraum. Leistungssteigerungen (aber auch Minderungen) nach Ablauf der Beurteilungsphase bleiben damit völlig außer Betracht.

Auszug aus der Entscheidung des BAG: »Damit bestimmt sich die Höhe des Entgelts im Bezugszeitraum nicht nach dem Verhältnis der erbrachten zu einer Normalleistung. Vielmehr erhält der einzelne Arbeitnehmer entsprechend seinen Leistungen im ersten Quartal eine Prämie in den Folgequartalen unabhängig davon, ob die in diesen Zeiträumen erbrachte Leistung der im Beurteilungszeitraum gezeigten Leistung entspricht oder sie unter- oder überschreitet. Die Leistungsprämie steht ihm auf Grund der im Beurteilungszeitraum gezeigten Leistung sogar dann zu, wenn er im eigentlichen Bezugszeitraum zwar nicht tätig ist, aber Anspruch auf Lohn hat. Im Gegensatz dazu wirkt sich eine im Beurteilungszeitraum gezeigte Leistung überhaupt nicht aus, wenn das Arbeitsverhältnis unmittelbar nach Ablauf des Erhebungszeitraums endet«.

Wie muss eine Zielvereinbarung aussehen?

Auch wenn die strittige Betriebsvereinbarung im weitesten Sinne eine Art leistungsorientierte Bezahlung darstellt, um einen echten Bonus handelt es sich dabei nicht. Denn es gibt keine genaue Bemessungsgrundlage für tatsächlich erbrachte Mehr- oder Minderleistung. Mit anderen Worten, im vorliegenden Fall lohnt sich Leistung nach Ablauf des Beurteilungszeitraums nicht mehr. Aber, so das Gericht, für eine echte leistungsorientierte Bezahlung muss die individuelle Leistung des Arbeitnehmers stetig messbar und mit einer Bezugsleistung vergleichbar sein. Die Höhe der Bonuszahlungen bestimmt sich unmittelbar nach dem Verhältnis beider Leistungen zueinander.

Es ist deshalb unabdingbar, eine konkrete Zielvereinbarung zu treffen, damit eine solche Bezugsgröße überhaupt besteht. Wie eine solche Zielvereinbarung auszusehen hat, war ebenfalls Gegenstand der Entscheidung. Hierzu legte das BAG fest, dass die von den Arbeitnehmern erwartete Zusatzleistung sachgerecht bewertbar sein und in einem angemessenen Verhältnis zu dem erzielbaren Bonus stehen muss. Darüber hinaus dürfen Leistungsanreize nicht so gestaltet sein, dass sie zu einer Überforderung der Arbeitnehmer führen. Die Zielerreichung muss also realistisch und erfüllbar sein, da sonst der Zweck der Motivation entfällt.

Gibt es einen Bonus ohne Zielvereinbarung?

Angenommen, im Unternehmen gibt es eine Rahmenvereinbarung über leistungsorientierte Bezahlung durch Zielprämien, doch der Abschluss einer Zielvereinbarung wurde vergessen oder verweigert? Was passiert dann eigentlich mit dem Bonus, wenn die Zielvereinbarung fehlt? Auch das war Gegenstand eines Rechtsstreits, in dem ein Arbeitnehmer seinen Bonus ohne Zielvereinbarung einklagte. Sein Arbeitsvertrag beinhaltete die Regelung, jährlich eine Zielvereinbarung abzuschließen. Für das Jahr 2005 erfolgte eine Vereinbarung, die auch fast vollständig erfüllt wurde. Obwohl der Arbeitnehmer den Arbeitgeber mehrmals erinnerte, kam es 2006 nicht zu einer Folgevereinbarung. Der Arbeitnehmer verlangte trotzdem einen Bonus.

Weil der Arbeitgeber vertragswidrig eine neue Vereinbarung verhindert hatte, bekam der Arbeitnehmer zunächst vor dem Landesarbeitsgericht Berlin vollumfänglich Recht. Das Gericht zog die alte Zielvereinbarung als Maßstab heran und ging von einer fiktiven Zielerreichung von 100 % aus. Allerdings hat das BAG diese Entscheidung teilweise gekippt (Urteil vom 12.12.2007; ↗ 10 AZR 97/07). Ohne aktuelle Zielvereinbarung besteht für den Arbeitnehmer nämlich nur ein Anspruch auf Schadenersatz für den entgangenen Bonus. Für die Höhe des Schadens ist dann aber der Arbeitnehmer selbst darlegungs- und beweispflichtig. Auf das Vorjahr kann er nicht mehr verweisen.

Fazit

Das soll nun kein Aufruf an Arbeitgeber im Vertrieb sein, Zielvereinbarungsgespräche zukünftig zu vermeiden, um sich die Boni zu ersparen. Im Gegenteil: Damit die leistungsorientierte Bezahlung ihren Zweck als Leistungsanreiz und Motivationsfaktor erfüllt, müssen solche Gespräche beiderseits unbedingt stattfinden. Nur so lassen sich individuelle Ziele ausloten, die für den einzelnen Mitarbeiter machbar sind. Die strategische und operative Planung im gesamten Unternehmen spielt in diesem Zusammenhang eine nicht unwesentliche Rolle. Dort definierte Zielvorgaben müssen für die Mitarbeiter transparent und nachvollziehbar sein. Eine wichtige Voraussetzung, damit sich diese sowohl mit den übergeordneten Unternehmenszielen als auch mit den eigenen Leistungsvorgaben identifizieren können.


Gender-Hinweis
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die geschlechtsspezifische Differenzierung nicht durchgehend, sondern meist das generische Maskulinum (z. B. „der Vertriebsmitarbeiter“). Sämtliche Personenbezeichnungen gelten jedoch gleichermaßen für jedes Geschlecht und sollen keinerlei Benachteiligung darstellen. Die verkürzte Sprachform hat ausschließlich redaktionelle Gründe und ist wertfrei.

Beitragsbild: Adobe Stock | alphaspirit

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