Ironie im Internet? Über Likes und Smileys
Im neuen Jahr wird alles besser. Oder gut. Auf alle Fälle anders! Bei Ihnen auch? Ich jedenfalls will mir in Konfliktsituationen vor Augen halten, dass es zwei Ebenen gibt, die ineinander spielen. Eine Sachebene und eine persönliche Ebene. Ich will klar meine Meinung sagen. Und ich will in diesem Jahr meinen Hang zur Ironie im Zaum halten. Nicht nur der anderen wegen, die sich dann weniger angegriffen fühlen. Auch meinetwegen! Ich ziehe mir nämlich damit immer wieder jede Menge Ärger an Land. Und wer braucht das schon?
Verstehen wir Ironie noch?
Kinder verstehen keine Ironie und deswegen sollte man Kindern auch nicht ironisch kommen. Aber Erwachsene? Hat das Internet mit all seinen Grinsezeichen unsere Wahrnehmungsfähigkeit und unser Sprachgefühl so verändert, dass wir Ironie nur noch mit einem augenzwinkernden Smiley im Gefolge verstehen? Glauben wir der von Communityratgebern gebetsmühlenartig wiederholten Behauptung, dass man im Netz (also auch hier in dieser Kolumne!) nicht ironisch sein dürfe? Weil ja der Tonfall und die Mimik des Gegenübers nicht sichtbar und solch geartete Kommunikation deshalb missverständlich sei.
Wie hat er – der Briefeschreiber, der Schriftsteller – eigentlich früher kommuniziert? Kamen die großen persönlichen, nationalen oder internationalen Verstimmungen mit weitreichenden Folgen für das Leben von Millionen dadurch zustande, dass man sich missverstand?
Dann müsste heute alles gut sein: Smileys allerorten. Der hochgereckte Daumen wird auch außerhalb von Facebook überall verstanden und „etwas liken“ geht mehr und mehr in den Sprachgebrauch des Normalbürgers über. Das unübersehbare Indiz: Der Leiter der Dudenredaktion gibt in einem Forum kompetenten Rat, wie denn schriftlich „geliket“ wird.
Oder heißt es geliked? Oder gelikt? Die letzte Version ist die richtige. Hier die Erklärung von Herrn Dr. Scholze-Stubenrecht: „Die Grundregel lautet für die Partizipien schwacher Verben: ge + Wortstamm + t. Bei liken sehen wir als Wortstamm lik an, was darauf zurückgeht, dass normalerweise der Stamm eines Wortes durch Abtrennung der Flexions- oder Wortbildungsendungen ermittelt wird (wie z. B. aus liking = lik + ing). Nach diesem Muster haben wir schon eine Reihe von Festlegungen getroffen: neben faken-gefakt und tunen-getunt auch beispielsweise canceln-gecancelt, timen-getimt, checken-gecheckt und managen-gemanagt. Und entsprechend empfehlen wir auch gelikt.“
Nur noch klare Worte?
Also nur noch „Eure Rede aber sei: Ja! Ja! Nein! Nein! Was darüber ist, das ist vom Übel.“ (Matthäus 5,37)? Und das ein ganzes Jahr lang? Auch hier? Sowohl Ironie (und sogar Sarkasmus!) sind sprachliche Mittel, die Texte interessant, spannend, anregend machen. Ironie relativiert Ansichten, Einstellungen, theoretische Positionen und Rollenmuster. Sie wird eingesetzt, wenn bisher geltende Wahrheiten in Frage gestellt werden. Wenn die eigene Identität Risse bekommt und wenn das „Das macht man so“ an Orientierung verliert.
Ironie stärkt auch eher eine kritische Sichtweise und sucht nicht die Zustimmung des Gegenübers um jeden Preis. Von daher sollten Sie als Vertriebler vorsichtig damit sein und auf alle Fälle überlegen, wo was in welchem Ausmaß bei wem geht. Mal schauen, wie ich es in diesem Jahr hinbekomme mit meinen Vorsätzen. Es ist ja noch jung, das Jahr. Ich habe ja noch Zeit!
Ihre Sabine Kanzler
Bild: gfpeck | flickr.com | CC BY-ND 2.0 | Ausschnitt