Trends: Alter Wein in neuen Schläuchen…
Alte Rotweine sollte man umfüllen. Man nennt das dann „Dekantieren“ und das macht man in eine Karaffe und nicht in einen neuen Schlauch. Jedenfalls heute nicht mehr. Man füllt um, damit das „Depot“ (die Ablagerung, die beim Alterungsprozess entsteht) nicht beim Einschenken ins Glas gerät. Allerdings werden Weine dadurch nicht besser. Wenn sie vor dem Dekantieren nicht geschmeckt haben, dann tun sie das hinterher auch nicht. Und man muss aufpassen, dass durch den Akt des Umfüllens nicht zu viel Sauerstoff an den Wein kommt. Dann oxidiert er nämlich. Im Klartext: Er verdirbt! Der Jahresanfang ist eine gute Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen und … ja, was? Richtig! Neue Trends auszurufen.
Was macht eigentlich ein Trendscout?
Aber wie findet man heraus, welche Trends es gibt? Man muss sie finden! Pfadfindermäßig sozusagen! Sogar Jobs gibt es dafür. „Was macht eigentlich ein Trendscout?“ fragt 2005 im Hamburger Abendblatt eine Journalistin und antwortete darauf „Trendscouts müssen heute wissen, was morgen ‚in‘ ist. Trendscouting ermöglicht das frühzeitige Erkennen von Verbrauchergewohnheiten und ist Grundlage für die Entwicklung neuer Produkte.“ Und es fallen Begriffe wie Analyse, Beobachten und Erspüren von neuen (Geschmacks-)Strömungen. Ich lerne weiter, dass es die Auseinandersetzung mit Trends schon lange gibt. Der große Brockhaus von 1957 habe „Trends als die Grundrichtung einer Zeitreihe“ beschrieben.
Trends werden uns vor allem in der Mode vorgestellt. Oder nahegebracht. Oder aufgezwungen. Kein Wechsel der Jahreszeiten ohne neue Trends in Farbe, Schnitten, Zusammenstellungen von Kleidungsstücken – passend dazu das neue Makeup, die neue Frisur. Alles mit dem Ziel, dass wir am besten unsere Schränke leer räumen und uns neu eindecken mit allem, was Frau (und Mann) so braucht. „Zeitlos“ und „klassisch“ sind in der Mode Synonyme für „langweilig“ und „uncool“ geworden.
Soviele neue Trends – alles Zufall?
Dass diese Trends in so kurzen Intervallen ganz von alleine auftauchen, das kann man glauben – oder auch nicht. Gerade in Modefragen wissen wir, dass gezielt an diesen neuen Strömungen gearbeitet wird. Denn ohne eine neue Kollektion kein Umsatz. Oder glauben Sie an Zufall, dass neue – trendige – Farben und Muster sich fast nie mit dem so richtig vertragen, was wir im Kleiderschrank haben?
So weit, so gut. Warum aber diese Ausführungen in einem Blog, in dem es um Bewerben und Rekrutieren geht, in dem wir darüber nachdenken, wie wir uns auf dem Arbeitsmarkt orientieren? Geben Sie mal bei Google die Schlagworte „Trends bewerben“ ein. Sie werden sich wundern, was Sie dort alles finden.
Soziologen sagen, dass ein Trend eine statistisch beobachtbare und erfassbare Grundtendenz oder Grundrichtung ist, in die eine Entwicklung geht …und da komme ich ins Grübeln, wenn ich die riesige Menge an Artikeln sehe, die uns den Trend fürs kommende Jahr nahebringen. Woher haben die ihre Daten? Oder setzt da einer Behauptungen in die Welt und alle anderen schreiben ab? Stimmen die Hinweise und kann man sich danach richten als Bewerber? Erhöht sich damit die Wahrscheinlichkeit, den gewünschten, den attraktiven Job zu finden?
Und wem nützen all die Trends?
Irgendwie müssen wir ja beurteilen, ob da jemand nur alten Wein neu verpacken will (und damit sind wir bei den ersten Zeilen dieses Blogs) oder ob wirklich Neues entsteht. Drei Überlegungen sind dabei hilfreich:
- Googeln Sie sich in die Vergangenheit! Suchen Sie gezielt nach Zeitschriftenartikeln, nach Blogs, nach Büchern, die mehr als fünf Jahre alt sind. Wenn Sie da die gleichen Empfehlungen lesen wie in den Trends für das kommende Jahr …
- Fragen Sie sich „Cui bono?“ Wem nützt dieser ausgerufene Trend? Demjenigen, der ihn veröffentlicht? Weil er – wirklich ganz, ganz zufällig! – genau das anbietet, was man braucht, um diesem Trend zu folgen? Wenn Bewerbungsvideos als beste Methode angeboten werden, um sich zu präsentieren und das von einem Anbieter, der genau solche Videos herstellt, wenn davon die Rede ist, dass man sich im Netz nur finden lassen muss von suchenden Unternehmen, und dann kostenpflichtige Tools anbietet, mit denen ebendies wunderbar funktioniert …ich weiß nicht, ich komme dann ins Grübeln!
- Nehmen Sie solche Hinweise als Meinung zur Kenntnis. Und beobachten Sie selbst, was sich in Ihrem Umfeld so tut. Manch kleines Unternehmen weiß von solchen Trends nämlich noch gar nichts und freut sich über ein klassisches (altmodisches?) Vorgehen seiner Bewerber.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Mindestens zwei Drittel der Hinweise in solchen Artikeln sind alt. Manche sind sogar richtig, richtig gut! Immer noch. Zum Beispiel der Hinweis, man möge auf eine passende Darstellung der eigenen beruflichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten achten. Früher sagte man dazu: Bringen Sie das, was Sie sagen wollen, auf den Punkt!
Und was lernen wir daraus?
Andere Tipps haben noch nie richtig getaugt. Originalität um jeden Preis, plakativ zur Schau getragenes Selbstbewusstsein können im Einzelfall wirken, nicht jedoch für die Masse der Bewerber. So eine Empfehlung wird auch durch langes Lagern nicht besser. Womit wir wieder beim Wein wären.
Trends werden oft ausgerufen, weil der Rufer sich davon etwas verspricht. Meistens Werbung für sein Produkt oder ganz direkt mehr Umsatz, mehr Geld. Und manche Trends existieren tatsächlich!
Bleiben Sie also gelassen und investieren Sie Energie und Zeit in die Erstellung aussagefähiger Unterlagen. Das ist und bleibt die Kernbotschaft. Dann können Sie mit einem schönen Glas Wein auf Ihre Arbeit und Mühe anstoßen. Egal, ob der jetzt dekantiert ist oder nicht!
Ihre Sabine Kanzler
27.01.2015
Bild: Steven Depolo | flickr.com | CC by 2.0 | Ausschnitt