Berufseinstieg im Vertrieb – wenig attraktiv?
In einem Beitrag des Wall Street Journals heißt es, dass US-amerikanische Unternehmen große Schwierigkeiten bei der Besetzung von Vertriebspositionen haben. Vor allem Absolventen der jüngeren Generation lassen sich nur schwer für einen Berufseinstieg im Vertrieb begeistern. Offenbar noch schwerer als die Generationen vor ihnen. Warum das so ist und wie sich die Situation in Deutschland darstellt, verrät uns Frau Prof. Dr. Susanne Steimer im Interview.
Frau Professor Steimer, was glauben Sie ist die Ursache, dass Vertriebspositionen so wenig gefragt sind?
Vielleicht hängt es mit dem eher schlechten Berufsbild im Salesbereich in den USA zusammen. Viele Vertriebspositionen zielen darauf ab, schnell viel Umsatz zu generieren. Beratungsintensive und auf eine langfristige Beziehung angelegte Vertriebsprozesse sind nur in bestimmten Bereichen üblich. Daher werden z.B. Sales Representatives Positionen häufig mit gering qualifiziertem Personal besetzt und entsprechend honoriert. Dies fördert nicht gerade ein positives Image des Jobs.
Haben wir hierzulande das gleiche Problem?
Ich denke weniger. Durch unser duales Ausbildungssystem und die vielfältigen Studienmöglichkeiten sind viele Vertriebspositionen mit gut qualifiziertem Personal besetzt. Das alte Image des »Staubsaugervertreters« wird zunehmend abgelöst vom professionellen Vertriebsmanager, der auf eine langfristige und vertrauensvolle Beziehung setzt und neben dem Vertrieb auch Beratung und Service leisten kann.
Dazu kommt immer mehr gerade im Vertrieb das Thema Digitalisierung oder Big Data ins Spiel. Das sehen Sie zum Beispiel, wenn Sie sich die Funktionalitäten von modernen CRM-Systemen anschauen. Da sprechen wir dann von Themen wie Predictive Analytics, Social Media oder Omnichannel-Management. Diese Klaviatur zu beherrschen und mitzugestalten, bedingt vielfältigere Qualifikationen als noch vor wenigen Jahren im Vertrieb gefordert waren. Eine zunehmende Professionalisierung des Vertriebs ist daher unbedingt notwendig.
Viele sind ja der Auffassung, dass die jüngere Generation ein höheres Sicherheitsbedürfnis hat als vorangehende und deshalb weniger häufig einen Berufseinstieg im Vertrieb in Betracht zieht. Stimmen Sie dem zu?
Ja, auf gewisse Weise hat die jüngere Generation ein großes Bedürfnis nach Sicherheit. Dies zeigt sich beispielsweise auch in der hohen Attraktivität von Jobs im Öffentlichen Dienst oder der geringen Quote an Unternehmensgründungen im europäischen Vergleich.
Dazu kommt noch das Bedürfnis nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. Wir erleben das zum Bespiel, wenn wir unseren Studierenden zusätzliche Angebote unterbreiten wie Firmenbesuche, Fachtagungen oder zusätzliche Workshops im Semester. Einige Studierende lassen sich diese Chance entgehen und ziehen private Verabredungen vor.
Sie betreuen an der Hochschule der Wirtschaft für Management den Bachelor-Studiengang »Beratung und Vertriebsmanagement« – aus welchen Beweggründen treten junge Leute denn den Studiengang an?
Zum Beispiel aus dem Wunsch heraus, mit Kunden oder Menschen zu arbeiten und einen abwechslungsreichen Job zu haben. Viele davon haben vor dem Studium schon erste Erfahrungen im Verkauf oder Service gesammelt und dabei gemerkt, dass ihnen das Spaß macht.
Wir haben auch einige Bewerber, die bereits eine Berufsausbildung absolviert und dabei im Vertrieb Erfahrungen gesammelt haben. Andere wiederum kennen die vertrieblichen Herausforderungen aus dem Elternhaus, wenn die Eltern selbst ein Unternehmen haben oder ein Elternteil erfolgreich im Vertrieb tätig ist. Daher schauen wir sehr bewusst auf die Motivation für unseren Studiengang Beratung und Vertriebsmanagement. Wenn wir das Gefühl haben, dass die persönlichen Voraussetzungen für den Studiengang nicht gegeben sind, empfehlen wir lieber einen unserer anderen Studiengänge.
Welche Erwartungen haben die Absolventen an ihren Berufseinstieg im Vertrieb?
Unsere Absolventen wünschen sich vor allem eine interessante und abwechslungsreiche Tätigkeit mit der Chance auf berufliches Fortkommen. Darüber hinaus legen sie Wert auf einen respektvollen und wertschätzenden Umgang. Auch die Möglichkeit ein Master-Studium zu absolvieren steht bei unseren Absolventen hoch im Kurs. Viele möchten entweder direkt nach dem Studium oder zu einem späteren Zeitpunkt noch einen Master anschließen. Unternehmen, die diese Möglichkeit zum Beispiel berufsbegleitend anbieten, stehen hoch im Kurs bei unseren Absolventen.
In welchem Bereich sehen Studenten des Studiengangs Beratung und Vertrieb ihren bevorzugten beruflichen Einstieg und warum?
Viele wünschen sich einen Einstieg in eine Trainee-Stelle. Die Möglichkeit dabei, das Unternehmen und unterschiedliche Tätigkeitsfelder kennen zu lernen, hilft ihnen bei der eigenen beruflichen Positionierung.
Durch die Verkürzung der Gymnasialzeit und den Wegfall des Wehrdienstes treffen wir heute auf Studierende, die oftmals noch gar nicht so genau wissen, was sie später machen wollen. Da es auch im Vertrieb sehr unterschiedliche Aufgabenfelder gibt, besteht der Wunsch, nach dem Studium die verschiedenen Aufgabenfelder kennen zu lernen und sich erst danach festzulegen. Die »Generation der tausend Möglichkeiten« ist eine treffende Beschreibung für die Vielzahl an Optionen, die den Absolventen heute offen stehen.¹
Was müssten die Unternehmen tun, um bei jungen Leuten die Begeisterung für einen Berufseinstieg im Vertrieb zu wecken?
Vielleicht geht es gar nicht darum mehr Begeisterung zu wecken, sondern die Richtigen für diese Laufbahn auszuwählen. Im Rahmen unseres Auswahlprozesses an unserer Hochschule gelingt es uns immer wieder Kandidaten zu identifizieren, die sich für den Vertrieb begeistern obwohl sie sich damit vorher noch gar nicht beschäftigt hatten.
Ich bin überzeugt, dass eine stärkere Professionalisierung des Vertriebs dazu beitragen wird, mehr junge Leute für den Vertrieb zu begeistern. Unser Studiengang Beratung und Vertriebsmanagement mit der Anbindung an die Partnerunternehmen ist auf jeden Fall eine gute Möglichkeit junge Leute an einen Berufseinstieg im Vertrieb heranzuführen.
¹ http://www.zeit.de/studium/2013-01/leserartikel-generation-moeglichkeiten
16.07.2015
Beitragsbild: Quinn Kampschroer // pixabay.com
Prof. Dr. Susanne Steimer, Dr. rer. soc, Diplom-Kauffrau, lehrt an der Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) Mannheim. Ihre Schwerpunkte bilden Vertriebsmanagement, Beratungsforschung sowie Motivation und Führung. Zuvor war sie über zehn Jahre am Mannheimer WO-Institut als Beraterin in internationalen Personal- und Organisationsentwicklungsprojekten tätig. Für Webducation GmbH mit Sitz in Wien verantwortet sie seit über fünf Jahren den deutschlandweiten Vertrieb für innovative E-Learning Anwendungen. An der HdWM ist sie verantwortlich für die Leitung des Studiengangs Beratung und Vertriebsmanagement.