Wie lässt sich der Gender Pay Gap schließen?
Gleichberechtigung – ein schönes Wort und nichts dahinter? Wenn man einen Blick in die Lohntüten von Frauen und Männern wirft, kann dieser Eindruck leicht entstehen. Denn dass es geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede gibt, ist kein Geheimnis. Während 2018 der durchschnittliche Bruttostundenlohn für Männer bei 21,60 Euro lag, bekamen Frauen nur 17,09 Euro. Diese Lücke bei den Gehältern bezeichnet man auch als Gender Pay Gap. Zwar fällt der Gender Pay Gap im Vergleich zu 2006 derzeit etwas geringer aus, beträgt aber immer noch nahezu 21 %.
Dass Frauen und Männer unterschiedlich viel verdienen, ist übrigens nicht nur hierzulande so. Bereits seit 1966 gibt es den Equal Pay Day – den Tag für gleiche Bezahlung. Dieser Aktionstag, der ursprünglich aus den USA stammt, möchte für die Thematik sensibilisieren. In Deutschland findet er seit 2008 alljährlich etwa Mitte März statt. Dabei markiert das jeweilige Datum den Tag im Jahr, bis zu welchem Frauen im Vergleich zu Männern umsonst arbeiten. Das Symbol des Equal Pay Days – die rote Tasche – steht gleichsam für das Defizit im Portemonnaie von Frauen. Einer der ersten Schritte in Richtung mehr Gehaltsgerechtigkeit sollte bei uns das Entgelttransparenzgesetz sein. Doch führt Gehaltstransparenz tatsächlich zu fairer Bezahlung? Bisher jedenfalls sieht das Ganze nach einem ziemlich zahnlosen Papiertiger aus.
Gender Pay Gap – ein Hirngespinst?
Aber woher kommt der Gender Pay Gap überhaupt? Hierzu gibt es zahlreiche unterschiedliche Studien und Theorien. Demnach liegen die Ursachen unter anderem in
- der unterschiedlichen Berufs- und Branchenwahl von Frauen und Männern.
- der Tatsache, dass Frauen weit häufiger einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen.
- den ungleich verteilten Arbeitsplatzanforderungen hinsichtlich Führung und Qualifikation.
- der Annahme, dass Frauen bei Gehaltsverhandlungen weniger erfolgreich sind.
Das alles hat Einfluss auf die Vergütung. Klar, je geringer die Arbeitszeit, desto weniger Geld. Einen von vornherein niedriger bezahlten Job anzunehmen, bedeutet eben auch, am Ende nicht so viel auf dem Konto zu haben. Aus diesem Grund führen kritische Stimmen ins Feld, dass man hier ein Problem aufbauscht, welches gar nicht existiert. Denn nur die durchschnittlichen Stundenlöhne zu betrachten, wirft die Teilzeit-Verkäuferin in den gleichen Topf wie den Vertriebsleiter. Somit vergleiche man hier Äpfel und Birnen.
Sicherlich ist das nicht von der Hand zu weisen. Allerdings muss man sich fragen, warum Frauen diese Entscheidungen treffen. Und verbirgt sich dahinter nicht doch der leise Vorwurf, dass sie durch ihre Berufswahl am Gender Pay Gap selbst schuld sind? Mit anderen Worten, Frau, such dir einen anderen Beruf, dann verdienst du auch wie ein Mann! Bedeutet das nun, dass es gar keinen Gehaltsunterschied gibt, wenn Mann und Frau bei gleicher Qualifikation die gleiche Tätigkeit ausüben?
Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe
Mitnichten, der um die oben genannten Faktoren bereinigte Gender Pay Gap liegt bei gut 6 %. Das mag sich für manche nach lächerlich wenig anhören. Gerecht ist es trotzdem nicht. Außerdem steht immer noch die Frage im Raum, woraus denn nun der Unterschied trotz Bereinigung resultiert. Gibt es einen blinden Fleck in den Arbeitsbewertungsmodellen? Das hat die Studie „Comparable Worth. Arbeitsbewertungen als blinder Fleck in der Ursachenanalyse des Gender Pay Gaps?“ des WSI (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut) aus dem Jahr 2018 untersucht. Grundlage der Studie ist die in der Soziologie schon lange vertretene Ansicht, dass eine generelle Abwertung weiblicher Erwerbstätigkeit existiert.
„Gerade die Billigkeit der Frau hat ihr Eingang auf dem Arbeitsmarkt verschafft.“
– Alice Salomon: »Die Ursachen der ungleichen Entlohnung von Männern und Frauen« (Berlin, 1906)
Spiegelt sich das auch in den bisherigen Modellen zur Arbeitsbewertung wider? Der Studie zufolge lassen gängige Verfahren zur Bewertung von Arbeit Faktoren, wie etwa die psychosozialen Anforderungen, außer acht. Sprich, die seelischen Belastungen, die etwa ein Pflegeberuf mit sich bringt, spielen gar keine Rolle. Zudem finden körperliche Belastungen in weiblichen Berufen zu wenig Berücksichtigung, weil diese von vornherein als leichtere Tätigkeiten gelten. Der physische Stress einer Kassiererin, die 8 Stunden lang die gleichen Bewegungen ausführt, fällt somit weniger ins Gewicht. Die Methode, die in der Studie angewendet wurde, bezieht solche Aspekte mit ein. Und im Ergebnis beträgt der bereinigte Gender Pay Gap dann sogar 10 %.
Gegen den Gender Pay Gap hilft nur Umdenken
Weibliche Arbeit sieht man also nach wie vor anders als männliche. Woher kommt das? Frauen scheinen in der Arbeitswelt weniger wert zu sein. Etwa, weil sie Kinder bekommen und damit dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen? Oder weil der Beruf einer Erzieherin angeblich nicht so anspruchsvoll ist, wie der eines Key Account Managers? Solche Gedanken sind wohl immer noch in unseren Köpfen verankert. Die Folge: Nicht nur die generelle Entlohnung in Frauenberufen ist geringer. Sondern Frauen verdienen auch bei vergleichbarer Tätigkeit weniger. Offensichtlich sind wir immer noch nicht in der Lage, uns vom historisch gewachsenen Rollenverständnis zu lösen.
Um den Gender Pay Gap zu schließen, müsste aber gerade das passieren. Natürlich hat die Höhe des Gehalts auch immer etwas mit Region, Betriebsgröße und Branche zu tun. Aber das sind betriebswirtschaftliche Aspekte, die nichts mit »Hose oder Rock« gemein haben. Genau darum ist es an der Zeit, dass die Bewertung von Arbeitsleistung nicht mehr in Abhängigkeit vom Geschlecht erfolgt. Darüber hinaus verdienen vermeintlich geringwertige Arbeiten mehr Anerkennung. Ob es einen signifikanten Gender Pay Gap im Vertrieb gibt, wissen wir leider nicht. Doch gerade hier sollte es ein Leichtes sein, das Geschlecht bei der Bezahlung außen vor zu lassen. Denn ob nun Frau Schmidt oder Herr Meier die Kunden betreut, ist doch egal. Hauptsache, sie machen es beide gut!
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