Recruiting: Wenn Bewerber zu Geistern werden
Die Digitalisierung hat beim Recruiting einerseits viel Vereinfachung mit sich gebracht, gleichzeitig aber auch Phänomene heraufbeschworen, mit denen wohl keiner gerechnet hatte. Die Ähnlichkeit zum Online-Dating nimmt immer mehr zu. Verbindlichkeiten, Zugeständnisse und Ehrlichkeit waren gestern, heute wird sowohl beim Online-Dating als auch bei der Jobsuche gepokert. Doch beim Recruiting sind es nicht mehr die Unternehmen, die hier die Zügel in der Hand haben, sondern auch die Bewerber wissen, wie man das moderne Spielchen spielt. Ist Ihnen das auch schon aufgefallen?
Modernes Recruiting mit eingebauten Fallstricken
Vor einigen Jahren noch waren es die Unternehmen, die das Recruiting bestimmen konnten. Die Unternehmen hatten die Jobs, die Bewerber mussten sich beweisen. Hier hat bereits zu Beginn der Digitalisierung ein Wandel stattgefunden: Auch die Bewerber haben Ansprüche, die durch die Unternehmen erfüllt werden sollen. Während beim Online-Dating Begriffe wie Ghosting, Cuffing und Breadcrumbing an der Tagesordnung stehen, wird Ihnen das als Unternehmer im Zusammenhang mit dem Recruiting noch kein Begriff sein, oder? Doch es ist wahrscheinlich besser, sich zeitnah damit zu beschäftigen, denn Ghosting ist ein Phänomen, welches auch bei der Suche nach dem perfekten Bewerber mehr und mehr zum Thema wird.
Ghosting – wenn die Talente zu Geistern werden
Ghosting beschreibt heute ein Phänomen, bei dem sich Personen an einer bestimmten Stelle einfach in Luft auflösen. Nein, hier ist nicht die Rede von einem Zaubertrick. Im Zusammenhang mit dem Recruiting geht es um Bewerber, mit denen Sie gute Gespräche geführt haben und von denen Sie überzeugt sind. Für Sie ist demnach klar, dass derjenige eingestellt werden soll, der Wunschkandidat ist gefunden. Doch wenn sich der Kandidat an dieser Stelle einfach in einen Geist verwandelt? Beim Ghosting melden sich die Bewerber an dieser Stelle ohne ersichtlichen Grund nicht mehr zurück, sind nicht erreichbar oder tauchen nicht zum ersten Arbeitstag auf.
Der Spieß wird einfach umgedreht
Laut verschiedener Umfragen haben bereits 95 Prozent von Personalexperten Erfahrungen mit dem Ghosting-Phänomen auf Bewerberseite gesammelt. Doch an dieser Stelle müssen wir mal ganz ehrlich sein: Früher waren es die Unternehmen, die sich bei den Bewerbern einfach nicht mehr zurückgemeldet haben, richtig? Heute herrscht weiterhin der Krieg um Talente vor, da die Experten in verschiedenen Bereichen rar gesät sind. Ist es da verwunderlich, dass einige der Bewerber den Spieß einfach umdrehen? Klar ist es unhöflich, ohne ein Wort einfach zu verschwinden oder unterzutauchen, doch haben Unternehmen das früher nicht auch so gemacht? Den Bewerbern im Gespräch ein gutes Gefühl gegeben und sich dann einfach nicht mehr gemeldet. Keine Gründe für eine Absage genannt. Nie wieder etwas von sich hören lassen.
Recruiting wird zum Spiel, bei dem auch geschummelt wird
Die Situation ist prekär. Nicht nur das Ghosting-Phänomen erschwert den Unternehmen die Suche nach dem Wunschkandidaten. Auch sind eben diese rar gesät. Zudem wissen die Bewerber, dass die Unternehmen es nicht leicht haben, passende Kandidaten zu finden. Dieses Bewusstsein schafft Selbstbewusstsein oder sogar Arroganz auf der Arbeitnehmerseite. Es werden Spielchen gespielt, der Bewerber von heute beherrscht das Pokerface wie ein Profi. Doch wie kommen wir wieder heraus aus dieser scheinbar verfahrenen Situation?
Die perfekte Lösung beim Recruiting gibt es nicht
Eine optimale Handhabe oder eine Lösung für das Problem im Bereich Recruiting gibt es leider nicht. Es bringt in jedem Fall nichts, hier einen Schuldigen zu suchen, denn damit ist auch keinem geholfen. Am besten wird vor der eigenen Haustür gekehrt. Wenn Sie sich entscheiden, etwas ändern zu wollen, dann tun Sie es. Hilfreich ist es, die eigenen Erwartungen, die man an den Bewerber stellt, selbst zu erfüllen. Das heißt, auch wenn ein Bewerber nicht passt, hat dieser eine höfliche Absage verdient. Konstruktives Feedback während des Bewerbungsprozesses ist auf Bewerberseite meist gerne gesehen. Darüber hinaus ist auch im Recruiting Wertschätzung ein Schlüssel. Überzeugen Sie den Wunschkandidaten davon, dass Sie mit einem engagierten Onboarding bereit sind, Bewerber für sich zu begeistern. Wenn sich Ihr Kandidat dann trotzdem noch in einen Geist verwandelt, dann können Sie sich zumindest keinen Vorwurf machen!
Titelbild: Adobe Stock; lichtenbergerm