Glaubensfreiheit: Kruzifix mal andersrum

Ein weiterer Fall aus dem Spannungsfeld zwischen dem arbeitgeberseitigen Weisungsrecht und der Religionsfreiheit. Und wie sagt der Jurist: Es kommt drauf an. In der Tat wird in unserem Grundgesetz an prominenter Stelle die Glaubensfreiheit gewährleistet. Dies bindet in erster Linie den Staat und seine Organe. Man denke an die zahlreichen »Kopftuchfälle« in verschiedenen Behörden und staatlichen Einrichtungen oder an das – lange vor der Islam-Debatte ergangene – Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das am 16.05.2015 seinen 20. Geburtstag feierte.

glaubensfreiheit

Die Glaubensfreiheit bindet natürlich auch den privatrechtlichen Arbeitgeber – der Verfassungsrechtler spricht hier von der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte – bzw. den Arbeitsrichter, der über einen solchen Fall zu entscheiden hat. Alle diese Urteile haben gemeinsam, dass man ganz schön in die juristische Trickkiste greifen musste, um eine Einschränkung der Glaubensfreiheit, auf die sich auch der QVC-Mitarbeiter berufen konnte, zu rechtfertigen. Denn diese wird dem reinen Text nach umfassend und grenzenlos garantiert. Ein reines »Das passt mir nicht!« des Arbeitgebers ist dabei genau so unzulässig wie der Ansatz, dass in jede bayerische Schulklasse ein Kreuz gehöre.

Negative Glaubensfreiheit

Die Lösung heißt hier negative Glaubensfreiheit. Denn so wie der Gläubige den Schutz seines Glaubens einfordern kann, kann der Nichtgläubige verlangen, hiervon verschont zu bleiben. Diese negative Glaubensfreiheit konnte QVC hinsichtlich der Weisung, weltanschaulich zu bleiben, meines Erachtens zu Recht in Anspruch nehmen, ohne dass es dabei auf das Vorliegen von Beschwerden oder eine Beeinträchtigung der Betriebsabläufe ankommt. Und schließlich führt das Gericht zu Recht aus, dass die Weisung von QVC, auf die Abschiedsformel zu verzichten, den Kläger nicht in einen Gewissenskonflikt bringt. Dies ist in diesen Fällen immer die entscheidende Weichenstellung.

Muss man deswegen gleich kündigen? Sicher nicht! Liest man das Urteil aber zwischen den Zeilen, drängt sich allerdings schnell der Eindruck eines doch recht hartnäckigen Arbeitnehmers auf. Trotz Arbeitsanweisung und Abmahnung wird hier fröhlich weiter der Kundenstamm missioniert. Ob eine fruchtbare Zusammenarbeit damit auf Dauer angelegt war, muss jeder selbst entscheiden.

Ihr
Edmund Fleck

Bild: cegoh | pixabay.com

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