Klugscheißer im Vertrieb – „Wo ich es doch besser weiß …!“
Man sagt es nicht! Jedenfalls nicht in einem beruflichen Umfeld, in dem noch Anstand und Sitte herrschen und in dem es (ganz altmodisch) noch auf gutes Benehmen ankommt. Und wenn man es sagt, dann sagt man es nur selten. Aber alle denken es: die Kollegen untereinander, die Mitarbeiter in Bezug auf ihren Chef und der Chef in Bezug auf so manchen seiner Mitarbeiter: „Mein Gott, was für ein Klugscheißer!“ Auch der Duden kennt diesen Begriff, dekliniert ihn sogar in Singular und Plural durch und gibt als Bedeutung „Klugredner“ an und als Synonyme „Besserwisser“ und „Rechthaber“. Das gibt dem Begriff doch ein hohes Maß an Seriosität, weswegen wir uns über das Wesen des Klugscheißers und seine Bedeutung im Arbeitsalltag hier und heute Gedanken machen.
Wie entsteht ein Klugscheißer?
Es gibt zwei Kategorien dieser Spezies. Die eine zeichnet sich dadurch aus, dass jemand mit vergleichsweise wenig Ahnung und vergleichsweise gut ausgebildeter Rhetorik zu allem und jedem etwas sagen zu müssen glaubt. Der Rest der Belegschaft könnte auf diese Reden gerne verzichten, denn man hält sie für heiße Luft.
Daneben gibt es den Klugscheißer, der eigentlich keiner ist. Er hat Ahnung von der Materie, beschäftigt sich tiefgreifend mit den Themen, denkt weiter, wo andere längst aufgehört haben zu überlegen. Sein Problem: Er denkt nicht genug im Mainstream. Das macht ihn unbequem. Das stört das fröhliche Alltagsdahinplätschern. Das macht ihn zu einem Störenfried. Er kann und will den Mund nicht halten. Aus welchen Gründen auch immer. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Welche Vorzüge hat es, einen Klugscheißer in seinen Reihen zu haben?
Wer die zweite Kategorie des Klugscheißers in seinem Arbeitsumfeld hat, der kann sicher sein, geistig auf Trab zu bleiben. Voraussetzung dafür ist natürlich, die Inhalte ernst zu nehmen, auf deren Basis der Widerspruch geäußert wird. Der Klugscheißer wiederum muss lernen, seine andere Meinung nicht nur durch bedeutungsschwangeres Augenrollen zum Ausdruck zu bringen, sondern argumentativ und auch sachlich und nachvollziehbar zu äußern. Daran scheitert es manchmal. Das ist überall so, wenn (vermeintliches) Wissen auf (vermeintliche) Dummheit trifft. Unnötig zu sagen, dass der Dumme immer auf der Gegenseite sitzt und man selber im Besitz von Wissen und Weisheit ist.
Wie lässt sich dieses Dilemma auflösen?
Jedes Team, jedes Unternehmen braucht alles: Denjenigen, der voran stürmt mit neuen Ideen. Denjenigen, der darauf hinweist, was gerade „in“ ist; dem muss man Rechnung tragen, sonst ist man weg vom Fenster. Denjenigen, der sich hinsetzt und einfach abarbeitet, was da so gedacht und produziert wird. Und es braucht auch den Klugscheißer, den Bedenkenträger, den Stachel im Fleisch, der weh tut, der aber auch in die Tiefe führt und damit Substanz generiert. Das sollte man wissen. Das sollte man akzeptieren.
Als Conclusio (Philosophie: in einem logischen Schluss die aus den Prämissen erschlossene Aussage) möchte ich Wolfgang Schmidbauer, den bekannten Paartherapeuten, zitieren. Der hat zum Thema „Urlaubskonflikte mit dem Partner“ geschrieben: „Wer keinen Widerspruch hören will, der sollte mit seinem Hund in Urlaub fahren.“
Gleiches gilt in der Arbeitsumgebung für Kollegen untereinander. Es gilt besonders für Vorgesetzte im Umgang mit widerspruchsfreudigen Mitarbeitern. Und es gilt auch für den Klugscheißer selbst.
In diesem Sinne wünsch ich einen schönen Sommer!
Ihre Sabine Kanzler
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