Alternativangebote im Verkaufsgespräch?
Vermutlich hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, es sei gut, dem Kunden Alternativangebote zu machen. Das mögen Sätze sein wie: „Möchten Sie am Dienstag oder am Donnerstag nochmal telefonieren?“ oder in der Starbucks-Sprache: „Möchten Sie Ihren Kaffee tall, grande oder venti?“ In zahlreichen Verkaufstrainings gilt das Anbieten von Alternativen als Königsweg. Aber stimmt das wirklich?
Der Grundstein zur Entscheidung
Kennen Sie noch den guten alten Overheadprojektor, der beschriftete Folien auf eine Leinwand projizieren kann? Ich kann mich noch sehr gut erinnern, denn damals war ich bei meinen Trainings mit zwei schweren Koffern unterwegs. Darin jeweils 250 Folien, akribisch nach Begriffen geordnet und in edlen 3 M FlipFrame Hüllen verstaut. Innerhalb von Sekunden konnte ich die richtige Folie finden, auflegen und den Projektor einschalten. Das Bild blieb so lange sichtbar wie nötig, bis ich das Gerät abschaltete und die Aufmerksamkeit wieder auf mich ziehen konnte.
Der entscheidende Hinweis
Ich war noch nie ein Fan von der Praxis, bei Vorträgen ständig eine Folie vor Augen zu haben, obwohl bereits ein ganz anderer Gegenstand thematisiert wird. Das ließ sich aber oft nicht vermeiden. Denn die Beamer ließen sich nicht beliebig ein- und ausgeschalten. Aus diesem Grund war ich noch 2004 mit den Folienkoffern unterwegs – bis ich von einem Gerät hörte, bei dem man das Bild per Tastendruck schwarz schalten kann. Der Umstieg wäre einfach gewesen, denn ich hatte meine Folien ohnehin als Datei dabei. So könnte ich in Zukunft mit rund 40 Kilo Gepäck weniger reisen.
Auf der Suche nach dem richtigen Produkt
In jenem Jahr war ich geschäftlich auf der CeBIT und nahm mir deshalb Zeit, um Hersteller von diesen Beamern aufzusuchen. Das war jedoch einfacher gesagt als getan. Denn jedes Mal, wenn ich nach der Schwarzschalt-Funktion fragte, bekam ich zu hören, dass es das nicht gäbe. Schließlich begegnete ich einem etwas geschickteren Verkäufer, der mich fragte: „Schwarz-Taste? Klingt interessant. Was genau meinen Sie damit?“ Nun hatte ich Gelegenheit, mein Problem zu schildern. Als ich fertig war, sagte er: „Da können wir Ihnen auf jeden Fall das Richtige anbieten!“ Danach klärten wir noch einige Details hinsichtlich Leuchtleistung und anderen Punkten. Dann war endlich klar, welches Modell ich nehmen sollte.
Der Teufel steckt im Detail …
Bestimmt erinnern sie sich daran, dass ein Beamer damals einen stolzen Preis hatte. Ich war trotzdem gewillt, die 5000 Euro dafür zu berappen. Ich wollte ihn sofort am Stand dieses Systemhauses für Bürotechnik bestellen und da zeigte sich der erste Fehler in der Verkaufsstrategie dieses Händlers. Zwar könne ich nicht sofort bestellen, jedoch solle ich meine Visitenkarte hinterlassen. Dann schicke man mir das Angebot kurzfristig zu und ich müsse lediglich unterschreiben.
Ein wahres „Vertriebs-Eigentor“
Mir wurde nicht zu viel versprochen. Noch vor meiner Rückkehr von der CeBIT lag das Angebot auf meinem Tisch. Allerdings mit einem Fehler, der einem Eigentor gleicht. Aber der Reihe nach. Das Angebot war wie versprochen eingetroffen, der Preis und auch die übrigen Daten stimmten. Da war allerdings noch mehr. Unter dem Projektor stand: „Frühjahrs-Aktion – statten Sie Ihren Projektor für nur 200 statt 499 Euro mit einem WLAN-Adapter aus und machen Sie sich frei von Kabellängen und Stolpergefahr“. Mein Interesse war geweckt. Das klang fantastisch. Den Projektor einfach über WLAN steuern, ohne lästiges Kabel – wunderbar.
Verzögerte Entscheidung
Allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch ein altes Notebook ohne integrierte WLAN-Funktion. Die Anschaffung war für die Sommerpause geplant. Im gleichen Zuge wollte ich auch das Büro mit der Funktion ausstatten. Als kurze Zeit darauf eine nette Dame aus dem Vertrieb anrief und mich fragte, ob das Angebot angekommen und zu meiner Zufriedenheit sei, antwortete ich, dass ich zwar sehr zufrieden sein aber erst nach der Sommerpause eine Entscheidung treffen würde. Sie fragte mich artig, ob sie mich Ende August oder Anfang September wieder anrufen dürfe und ich entschied mich beherzt für das Letztere.
Die Welt verändert sich schnell
Sie ahnen es sicher: Bis Anfang September hatte sich die Welt schon wieder verändert. Ich hatte inzwischen festgestellt, dass jeder meiner Kunden einen solchen Projektor im Unternehmen hatte, den ich für meine Trainings nutzen konnte. In öffentlichen Räumen war so etwas sowieso vorhanden – ich konnte also auf die Anschaffung verzichten. Und das, obwohl ich im März noch bereit war, 5000 Euro dafür auszugeben. Ein unglaubliches Vertriebs-Eigentor.
Ihre Kunden brauchen keine Alternativangebote
Was lief falsch? Ich denke, das haben Sie längst erkannt. Meine Entscheidung für das Angebot wurde unnötigerweise erschwert, weil ich zusätzlich entscheiden musste, ob ich die WLAN-Option wollte. Und das, obwohl ich ja bereits mündlich bestellt hatte. Hier also zwei Empfehlungen an das Systemhaus:
1. Wenn der Kunde „Ja“” gesagt hat, bitte keine Alternativangebote, sondern eine Auftragsbestätigung zusenden.
2. Wenn schon Angebote, dann bitte nur annehmbare Angebote! Also keine Optionen und Varianten anbieten.
Keine Alternativangebote?!
Hä? Moment mal? Möglicherweise geht Ihnen jetzt der Gedanke durch den Kopf: „Wieso sollten wir keine Varianten anbieten? Unsere Kunden verlangen danach! Wir müssen mehrere Versionen, Qualitäten oder Stückzahlen anbieten, weil das so gefordert wird.“ Es ist natürlich möglich, dass das gefordert wird. Und eine Erklärung ist, dass Sie es nicht mit dem Entscheider zu tun haben. Wenn Sie es hingegen mit Beeinflussern zu tun haben, kann es sehr gut sein, dass Sie ein „Vergleichsangebot“ abgeben sollen. Egal, was Sie da reinschreiben, es wird ohnehin nicht beauftragt werden. Zumindest nicht ohne Nachverhandlung.
Treffen Sie die Entscheidung
Gehen wir nun aber davon aus, dass Sie es mit einem Entscheider zu tun haben. Aber auch dieser verlangt Alternativangebote. Warum tut er das? Nun, zum einen, weil er unsicher ist und zum anderen, weil er nicht weiß, was er genau braucht. Zudem traut er Ihnen nicht zu, eine Auswahl für ihn zu treffen. Das ist jetzt Ihre Chance, es zu ändern. Lassen Sich mich dies anhand eines Beispiels verdeutlichen:
Nehmen wir an, ich brauche ein neues Mobiltelefon. In erster Linie benötige ich es natürlich zum Telefonieren. Darüber hinaus möchte ich aber auch meine E-Mails und Kontakte griffbereit und Termine im Blick haben. Nenne ich diese Dinge einem weniger erfahrenen Verkäufer in einem Telefonladen, wird er vermutlich sagen: „Da drüben ist die Vitrine mit unseren Business-Smartphones, da können Sie sich ein Beliebiges aussuchen.“ Und wenn er besonders unerfahren ist, wird er jetzt fragen: „Was wollen Sie denn ausgeben?“
Durch Fragen auf die Entscheidung hinwirken
Ein sehr guter Verkäufer hingegen wird mir jetzt ein paar Fragen stellen. Zum Beispiel, welches Telefon ich bisher hatte, was mir daran besonders gefällt, was mir wichtig ist u. s. w. Und dann würde er vermutlich sagen: „Bei dem, was Sie mir gerade geschildert haben, kann ich Ihnen nur eine Empfehlung aussprechen: Nehmen Sie das XYZ. Damit werden alle Ihre Anforderungen erfüllt.“
Während es im ersten Fall sehr schwer fällt, sich zu entscheiden, gelingt dies im zweiten wesentlich leichter. Da treffe ich die Entscheidung, indem ich einfach „Ja“ sage. Und wenn die Alternative „Ja“ jetzt auch noch attraktiver ist als die Alternative „Nein“, dann ist klar, was passieren wird.
Widmen wir uns erneut der Frage, warum allgemein die Überzeugung herrscht, man müsse dem Kunden mehrere Alternativangebote machen. Ich denke die Antwort ist, dass bei simplen Kaufentscheidungen in unserem Alltag die grundsätzliche Entscheidung für den Kauf schon getroffen ist. Wenn Sie sich zehn Minuten bei Starbucks in der Schlange angestellt haben, stellt sich nicht mehr die Frage, ob Sie einen Kaffee trinken. Sondern nur noch welchen.
Der Status quo
Beim Umgang mit Geschäftskunden und Investitionen gibt es hingegen fast immer die Alternative Status quo. Die Kunden haben die Möglichkeit, nicht zu investieren und zu warten. Wenn die Wahl zwischen vielen Alternativen aufwändig ist, dann erscheint es besonders attraktiv, gar nichts zu kaufen. Deshalb sollten Sie die Entscheidung begünstigen, indem Sie ähnlich wie unser Profi-Telefonverkäufer die Lage sondieren und dann die beste Alternative anbieten.
Wenn Geschäftskunden Alternativangebote fordern, dann sind sie in der Regel keine Entscheider, sondern Materialsammler. Achten Sie dann darauf, dass Sie vor Abgabe des Angebotes verstanden haben, wer entscheidet und was dem Entscheider wichtig ist. Falls tatsächlich der Entscheidet mehrere Alternativen fordern sollte, ist er noch unentschlossen. Erinnern Sie sich noch an das Beispiel mit dem Schuhgeschäft? Auch hier war es so, dass wir uns einfacher entscheiden können, wenn die Anzahl der Alternativangebote überschaubar ist.
Nehmen Sie dieses Wissen bitte in Ihren Verkaufsalltag mit auf. Achten Sie darauf, dass Sie Entscheidungen begünstigen und nicht unnötig erschweren. Auch ein sicherlich durchdachter und vermeintlich perfektionierter Verkaufsprozess kann schlecht sein, wenn er Entscheidungen verhindert, statt sie zu begünstigen. Finden und eliminieren Sie die Umsatzverhinderer in Ihrer Organisation!
Ihr Stephan Heinrich
Siehe auch: Entscheidungsphasen im Verkaufsgespräch
Bild: Dan Moyle | flickr.com | CC by 2.0 | Ausschnitt