Das DISG-Modell im Vertrieb – 4 Kundentypen erkennen und bessere Gespräche führen
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Angenommen es gibt da einen wichtigen Zielkunden XY, bei dem der Topverkäufer des Teams einfach keinen Fuß in die Tür bekommt. Liegt es daran, dass dem Kunden die Nase nicht passt? Oder man nicht auf derselben Wellenlänge ist? Es scheint einfach unmöglich dort zu punkten und bald folgt die Erkenntnis, dass der Verkäufer und der Kunde zu unterschiedlich sind, als dass sie eine gemeinsame Basis finden könnten. Doch deswegen sollte man nicht direkt die Flinte ins Korn werfen und den potenziellen Kunden abschreiben.
Mithilfe des DISG-Modells kann man verschiedene Kundentypen erkennen und mit dem passenden Ansatz doch noch Erfolg im Verkaufsgespräch erzielen.
HIPPOKRATES LEGTE DEN GRUNDSTEIN FÜR DAS DISG-MODELL
Zu Beginn ein kleiner Exkurs: Schon mal von der Viersäftelehre gehört? Vielleicht nicht unbedingt, aber sicherlich von dessen Begründer: Hippokrates. Der griechische Arzt und Gelehrte wird mitunter gern als „Vater der Medizin“ bezeichnet, da er als einer der ersten im 4./5. Jh. v. Chr. versuchte Krankheiten nicht nur zu bestimmen, sondern auch zu ergründen.
Zur Erklärung nahm er die vier Säfte des Menschen – genauer gesagt die Körperflüssigkeiten Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle – zur Hilfe und erkannte folgendes: Waren diese in Balance, ging es dem Menschen gut und er war ausgeglichen. Trat bei einer oder mehreren Flüssigkeiten jedoch ein Überschuss oder Mangel auf, hatte der Mensch irgendein Leiden.
Des Weiteren ging er davon aus, dass Erkrankungen nie nur organischer Natur waren, sondern auch psychisch bedingt sein konnten. Körper und Geist bildeten für ihn und seine Anhänger eine Einheit.
„Die Erhaltung der Gesundheit beruht auf der Gleichstellung der Kräfte. Gesundheit dagegen beruht auf der ausgewogenen Mischung der Qualitäten.“
– Hippokrates
Seine Lehrlinge präzisierten diese Annahme und folgerten im Umkehrschluss auch, dass psychische Ausprägungen ebenso auf organische Ungleichgewichte zurückzuführen sein konnten. Später war man sicher, dass ein überproportionaler Anteil einer der Säfte Auswirkungen auf das Temperament des Menschen hätte, sowie auf seine Denk- und Handlungsweise.
Diese grundlegende Theorie, für die Hippokrates einst den Grundstein legte, wurde seitdem von unzähligen Medizinern und Psychologen erforscht, erweitert und geformt, sodass wir heute – gut 25 Jahrhunderte später – u. a. beim DISG-Modell angekommen sind. Dieses ausgeklügelte und gern von Vertrieblern genutzte Modell erspart nicht nur die unappetitliche Analyse der Körperflüssigkeiten des Kunden, sondern hilft vor allem dabei dessen Charakter besser einordnen zu können.
DAS DISG-MODELL
Das Modell geht auf die Forschungen der Psychologen William M. Marstons und C. G. Jung in den 1930er Jahren zurück. Sie versuchten zu erklären, warum Menschen in bestimmten Situationen immer wieder ins gleiche Verhaltensmuster fallen und definierten dieses psychologische Verhaltensmodell. Es beschreibt vier verschiedene Persönlichkeitstypen. Um einen Menschen einem bestimmten Persönlichkeitstyp zuordnen zu können, muss man sein Verhalten bzw. viel mehr seine Reaktion auf bestimmte Situationen analysieren.
Die Einteilung erfolgt aufgrund zweier Annahmen: Der Mensch ist entweder extro- oder introvertiert und er ist entweder Ziel- oder Menschenorientiert.
- Extrovertiert oder introvertiert?
Introvertierte Menschen möchten nicht unbedingt Zentrum der Aufmerksamkeit sein, sondern mehr für sich selbst entscheiden. Extrovertierte Menschen haben kein Problem damit im Rampenlicht zu stehen, suchen es mitunter sogar.
- Ziel- oder Menschenorientiert?
Ein zielorientierter Mensch setzt alles daran, sein Ziel zu erreichen und vernachlässigt dafür auch mal soziale Gepflogenheiten. Einem Menschenorientierten Charakter hingegen ist es wichtiger, dass er mit sich und seiner Umwelt im Reinen ist.
Aus diesen vier Eigenschaften lassen sich vier Typen bestimmen, die zur Veranschaulichung jeweils eine Farbe erhalten.
Die vier Kundentypen
1. extrovertiert + zielorientiert = dominant
Der dominante Typ ist ehrgeizig und fordernd. Dementsprechend versucht er gern die Kontrolle zu übernehmen und geht über Stock und Stein, um letztendlich sein Ziel zu erreichen. Er sucht die Herausforderung, tritt entschlossen auf und findet oft keinen persönlichen Draht zum Gesprächspartner. Von anderen kann er als rechthaberisch, arrogant und gar aggressiv wahrgenommen werden.
Weitere Schlagworte für diesen Typ: impulsiv, risikofreudig, ungeduldig, zielstrebig, reaktionsschnell, forsch.
2. extrovertiert + menschenorientiert = initiativ
Der initiative Typ wird als offen und aktionsfreudig beschrieben. Er will für gute Stimmung sorgen und erreichen, dass sein Gegenüber seine Meinung teilt – mithilfe freundlicher Überzeugungsarbeit. Daher wirkt er motivierend und optimistisch. Er möchte unbedingt akzeptiert und einbezogen werden. Von anderen kann er als oberflächlich, egozentrisch und unglaubhaft wahrgenommen werden.
Weitere Schlagworte: umgänglich, spontan, sprunghaft, humorvoll, emotional.
3. introvertiert + menschenorientiert = stetig
Der stetige Typ gilt als mitfühlend und geduldig. Er ist zuverlässig und besorgt um das Wohl seiner Mitmenschen. Als Unterstützer des Teams und Vermittler hilft er, wo er kann. Mit Veränderungen kommt er nur schwer klar und versucht sie zu vermeiden, steht sich somit selbst im Weg. Von anderen kann er als widerstrebend und unsicher wahrgenommen werden.
Weitere Schlagworte: ruhig, kontinuierlich, beständig, kollegial, stabil, abwartend, sicherheitsorientiert.
4. introvertiert + zielorientiert = gewissenhaft
Der gewissenhafte Typ ist vorsichtig und geht analytisch-präzise vor. Er hinterfragt alle Informationen, nutzt gern bereits bestehende Regeln, um Entscheidungen zu treffen und Risiken zu vermeiden. Das hindert ihn unter Umständen daran, tatkräftig zu handeln. Von anderen kann er als distanziert und pedantisch wahrgenommen werden.
Weitere Schlagworte: diszipliniert, zurückhaltend, abwägend, genau, kalkulierend, reflektierend, logisch.
WIE HILFT DIE EINORDNUNG IM VERKAUFSGESPRÄCH?
Ein Beispiel: Trifft man als dominanter Verkäufer mit vermeintlich perfekt abgestimmten Produkten auf einen ebenso dominanten Kunden, der schon eine ganz eigene Vorstellung davon hat, was er will, kann eine Einigung in weite Ferne rücken. Beide „Dickköpfe“ wollen ihre eigene Lösung durchsetzen und gehen ungern Kompromisse ein.
Ein weiteres Beispiel: Eine Kundin wünscht zur Entscheidungsfindung schnellstmöglich eine genaue Auflistung der Zugriffszahlen und Statistiken aus dem letzten Quartal per Mail. Wenn man sie vorab erstmal mit einem Anruf und Smalltalk „drangsaliert“, um besser zu „connecten“, wird sie das ziemlich sicher als nervig empfinden.
Verbesserung der Kundenbeziehung
Ist man also von vornherein in der Lage das Gegenüber und seine Verhaltensweise einigermaßen gut einzuschätzen, können Gesprächssituationen besser beherrscht werden.
Darüber hinaus haben Vertriebsleiter so die Möglichkeit Verkäufer-Kunden-Teams zu bilden. Kennt man erstmal den Kundentypus, kann man ihn direkt mit dem richtigen Verkäufer zusammenbringen, denn gleich und gleich gesellt sich (meistens) gern.
Auch kann es hilfreich sein Broschüren, Gesprächsleitfäden und Angebote typengerecht zu erstellen. So hören die grünen Kunden gern Argumente, die Vertrauen aufbauen. Die blauen Kunden hingegen schauen sich lieber handfeste Zahlen und Grafiken an, ehe sie sich entscheiden. Man sollte also für jeden das passende Herangehen parat haben.
WIE VERHALTE ICH MICH IM GESPRÄCH JE TYP?
Sollte es sich um einen neuen Kunden handeln, kann ein erstes möglichst „neutral gestaltetes“ Gespräch helfen, eine grobe Einschätzung des Gegenübers vorzunehmen. Beim nächsten Aufeinandertreffen kann man sein Verhalten, die Tonlage und Taktik dementsprechend anpassen. Inspiriert durch Dirk Kreuter können wir Ihnen folgende Handlungsempfehlungen geben.
- Verkaufsgespräch mit dem dominanten Kunden
Verlieren Sie keine Zeit beim Gesprächseinstieg und überlassen Sie die Gesprächsführung ein stückweit dem Kunden. Er genießt die Kontrolle.
Stellen Sie an den richtigen Stellen direkte Fragen ohne viel um den heißen Brei zu reden und liefern Sie die Fakten, die dem Kunden für seine Zielerreichung dienlich sind. Er trifft seine Entscheidungen meist schnell und sollte nicht das Gefühl haben, dass Sie ihm etwas verkaufen, sondern lediglich die verschiedenen Möglichkeiten präsentieren, aus denen er dann das Passende selbst wählt. Halten Sie den Kunden nach Verkaufsabschluss mit Entwicklungen und Ergebnissen auf dem Laufenden.
- Verkaufsgespräch mit dem initiativen Kunden
Für den Einstieg bietet sich Smalltalk an, bei dem Sie eine gemeinsame Welle mit dem Kunden finden sollten. Aufgrund seiner Aufgeschlossenheit wird er gern abschweifen und aus dem Geschäftsgespräch eine nette Plauderei werden lassen. Führen Sie ihn sanft zum eigentlichen Thema zurück und stellen dar, warum er von ihrem Produkt profitieren wird. Technische Details können vernachlässigt werden. Verkaufen Sie das Produkt eher auf emotionaler Ebene. Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, fällt es ihm womöglich schwer eine finale Entscheidung zu treffen, mit der wirklich alle zufrieden sind. Arbeiten Sie daher lieber gemeinsam die ideale Lösung heraus und fixen Sie ihn damit an. Ist der Abschluss gemacht, beglückwünschen Sie ihn zu den persönlichen Vorteilen, die sich daraus jetzt für ihn ergeben werden.
- Verkaufsgespräch mit dem stetigen Kunden
Ähnlich wie beim initiativen Kunden bietet sich auch hier ein nettes Warm-Up zu Beginn an, in welchem Gemeinsamkeiten gefunden werden. „Quälen“ Sie Ihr Gegenüber daraufhin nicht mit direkten Fragen, sondern verpacken Sie diese. Erarbeiten Sie gemeinsam mit dem Kunden die Vorteile, erklären Sie jeden Aspekt und vermitteln Sie Sicherheit. Referenzen können hierbei überaus hilfreich sein. Geben Sie abschließend ausreichend Zeit für die Entscheidung und setzen Sie den Kunden keinesfalls unter Druck. Er hält gern Rücksprache mit seinem Team und vergewissert sich mehrfach, bevor er eine Entscheidung trifft. Im Nachhinein schätzt der Kunde den persönlichen Kontakt zu Ihnen und freut sich über einen stetigen Austausch, auch ohne konkreten Anlass.
- Verkaufsgespräch mit dem gewissenhaften Kunden
Hier bedarf es, ähnlich wie beim dominanten Kunden, keinen Smalltalk. Wichtiger ist, dass Sie demonstrieren, dass Sie sich ausgiebig auf den Termin vorbereitet haben. Genau so ausführlich, wie der Kunde auf ihre direkten Fragen antworten kann, müssen Sie es auch auf seine können. Er wird vermutlich das ein oder andere Argument hinterfragen. Bereiten Sie daher so oder so ausreichend Daten vor und präsentieren Sie diese bei Bedarf in Form von Tabellen, Zahlen, Statistiken, Studien, etc. und stellen Sie diese auch im Nachgang zur Verfügung. Emotionale Aussagen können Sie getrost sein lassen. Der Kunde wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Bedenkzeit wünschen, um noch einmal alles zu prüfen. Nach Abschluss sollten Sie seine Detailverliebtheit nicht vernachlässigen und weiterhin über aktuelle Zahlen und Entwicklungen informieren.
DAS DISG-MODELL – AUCH FÜR MITARBEITERTYPOLOGISIERUNG GEEIGNET
Mit Hilfe der vier Typen lassen sich nicht nur die Verhaltenspräferenzen von Kunden besser einordnen. Auch in anderen Bereichen hat das Modell für Unternehmen seinen Nutzen:
- Teamführung & Personalentwicklung
Bei der Zusammenstellung von Teams kann analysiert werden, ob ein bestimmter Typ überpräsentiert ist. Dementsprechend achtet man bei der Einstellung neuer Mitarbeiter gezielter darauf, welcher Typ noch fehlt, um für jede Aufgabe bestens gewappnet und ausgeglichen zu sein.
Außerdem können einzelne Stärken der Mitarbeiter gefördert bzw. Schwächen weitergebildet werden. Teams erzielen im Endeffekt bessere Leistungen und sind zufriedener.
- Selbsteinschätzung
Eine Selbstanalyse bringt schnell Klarheit darüber, wie man auf andere wirkt und welche Schwachstellen man hat. Ein Beispiel: Der harmoniebedürftige Vertriebsleiter kann schlecht nein sagen und wird womöglich von Mitarbeitern ausgenutzt. Er sollte an der Außenwirkung arbeiten und sich als „Neinsager“ etablieren. Man kann so einen Test kostenlos online machen, z. B. hier.
Darauf basierend können persönliche Weiterbildungen und eine bewusste Selbstwahrnehmung einen sowohl beruflich als auch privat weiterbringen.