Einwandbehandlung – „Zu teuer“ entkräften
Sie ist wohl die Königsdisziplin im Verkauf: Die gekonnte Einwandbehandlung. Vor allem dann, wenn es um den Klassiker „zu teuer“ geht. Hier scheitern viele Verkäufer. Das lässt sich jedoch vermeiden, man muss nur die richtigen Werkzeuge zur Einwandbehandlung einsetzen.
Wären Sie bereit, für ein gutes Schnitzel 4,99 Euro zu bezahlen? Auch 5,99 Euro, 6,99 Euro oder 8,99 Euro? Wir alle haben sicher auch schon mal ein Schnitzel auf einer Speisekarte gesehen, das 20 Euro oder noch mehr kostet. Und das, obwohl es sich immer um ein vergleichbares Produkt handelt. Klar – der Geschmack zählt, nur das können wir ja vorher nicht wissen.
In der Wirtschaftstheorie gibt es einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der verkauften Produkte und dem Preis. Betrachtet man die Dinge einzeln, existiert dieser Zusammenhang aber nicht. Ein Beispiel: Im letzten Jahr kostete die (schlecht eingeschenkte) Maß auf dem Oktoberfest über zehn Euro, was hierzulande absoluter Rekord sein dürfte. Und trotzdem wird fast nirgendwo auf der Welt so viel Bier in so kurzer Zeit verkauft. Woran liegt das?
Wenn es um das Schnitzel zu einem Preis von 4,99 Euro, bzw. 5,99 Euro geht, haben wir einen Aufschlag von 20 Prozent und damit mehr als oftmals im Einzelhandel verdient wird. Grundsätzlich sind wir als Kunden aber mit beiden Preisen einverstanden. Wie lässt sich nun diese Erkenntnis auf ihre typischen Kundensituationen übertragen? Wie stellen Sie es an, dass der Wert Ihres Produktes den Preis überstrahlt?
Kommunikation ist bei der Einwandbehandlung alles
Kennen Sie das kongeniale Kommunikationsmodell des Psychologen und Kommunikationswissenschaftlers Friedemann Schulz von Thun? Es basiert auf den vier Kanälen Sachinformation, Beziehung, Appell und Selbstoffenbarung. Jede Aussage wird auf diesen Kanälen transportiert.
Ein Beispiel: Angenommen, Sie haben für Ihr Schatzi gekocht, sich mächtig ins Zeug gelegt und ein Rezept für eine Menüfolge von Eckart Witzigmann ausprobiert. Die Vorspeise, eine „tomatisierte Karottensuppe“ war ein voller Erfolg und nun komt der zweite Gang – ein „Graupen-Risotto mit grünem Spargel“. Schatzi blickt auf den Teller und sagt: „Da ist etwas Grünes in meinem Risotto!“
Jetzt kommt es darauf an, wie Sie auf diese Botschaft reagieren möchten. Es gibt mehrere Möglichkeiten.
1. Sach-Info:
Sie verstehen: „Da ist etwas Grünes in meinem Teller“. Sie sagen: „Ja, das ist grüner Spargel.“
2. Selbstoffenbarung:
Sie verstehen: „Wenn ich kochen würde, gäbe es nicht so grünes Zeug.“ Sie sagen: „Dann koch’ doch du, wenn du es besser kannst.“
3. Appell:
Sie verstehen: „Nimm mir das grüne Zeug von meinem Teller.“ Sie sagen: „Oh, ich wusste ja nicht, dass du keinen grünen Spargel magst. Warte, ich nehme ihn dir gleich runter.“
4. Beziehung:
Sie verstehen: „Du liebst mich nicht, sonst wüsstest du, dass ich so etwas nicht mag.“ Sie antworten verletzt: „Immer wenn ich koche, musst du motzen!“
Und was heißt das nun in Bezug auf Verhandlungen? Das Problem: Viele Verkäufer erwarten bereits eine Erwiderung und spitzen deshalb schon einmal das Appell-Ohr. Wenn der Kunden zum Beispiel fragt „Kann man an dem Preis noch etwas machen“, kommt im Appell-Ohr des Empfängers an: „Mach‘ mir einen besseren Preis“, obwohl das gar nicht gesagt wurde.
Ohropax für Ihr Apell-Ohr
Angenommen, Sie könnten Ihr Appell-Ohr und zugleich auch Ihr Beziehungs- und Selbstoffenbarungsohr schalldicht verschließen und stattdessen Ihr Sach-Info-Ohr scharf stellen, damit Sie sich voll und ganz auf die Aussagen des Kunden konzentrieren können und nicht durch die anderen Kanäle verunsichert werden. Das führt zu verblüffenden Ergebnissen:
Sagt der Kunde zum Beispiel: „Das bekomme ich woanders billiger“, entgegnen Sie: „OK, und was bedeutet das in Bezug auf Ihre Entscheidung für mich?“ Oder der Kunde sagt: „Das haben wir nicht im Budget“ erwidern Sie: „Was werden Sie tun, um das Budget sinnvoll anzupassen?“
Das lässt sich ganz einfach an einem Beispiel aus der Praxis nachweisen. Sie kennen sicher eine gute Bäckerei, die besondere Köstlichkeiten in ihrem Sortiment führt, zum Beispiel Butterbrezeln. Weil das auch andere Menschen finden, müssen Sie etwas Zeit für Schlange einplanen. Angenommen, Sie stehen nun dort an und Ihnen fällt plötzlich ein, dass Sie keine Milch mehr zuhause haben und bedienen sich aus dem Kühlregal beim Bäcker. Als Sie die Milch auf den Tresen stellen um zu bezahlen, stellen Sie fest, dass der Liter Milch mit 1,79 Euro ausgepreist ist.
Zum Vergleich: Bei Aldi kostet der Liter Milch um 79 Cent. Was glauben Sie, würde passieren, wenn Sie sich nun aufregen und rufen würden: „Was? 1,79 Euro? Das ist ja ein Euro mehr als bei Aldi!“ Nun, die gute Bäckersfrau wird sich wohl kaum auf eine Preisverhandlung einlassen oder sich mit Ihnen auf einen Kompromiss einigen.
Ihr Appell-Ohr ist sozusagen zu. Wahrscheinlich wird Sie Ihnen also vorschlagen zu Aldi zu gehen, wenn Ihnen der Preis nicht passt.
Einzigartiges vergleichbar machen
Nehmen sie einmal die Perspektive eines Profi-Einkäufers ein. Für seine Verhandlungsposition muss sichergestellt sein, dass er nicht unnötig viel bezahlt. Wenn es sich aber nicht um ein austauschbares Produkt, sondern um ein Dienstleistungsprojekt handelt, ist es schwierig festzustellen, ob man überhöhte Preise zahlt. Andere Anbieter können zwar vielleicht günstigere Tagessätze haben, aber den Leistungsunterschied kann man im Vorfeld nicht prüfen. Auch beim Friseur weiß man ja vorher nicht, ob derjenige der 50 Euro für einen Haarschnitt nimmt, besser ist, als der, bei dem die neue Frisur 25 Euro kostet.
Um dieses Problem zu lösen, fragen Einkäufer, ob man an dem Preis noch etwas machen kann. Jetzt ist die Reaktion des Anbieters von ganz entscheidender Bedeutung. Wer im Konjunktiv antwortet, muss weiter verhandeln „müsste man mal sehen …“, „könnten wir noch über eine Leistungsanpassung diskutieren …“, „sollten wir doch eine sinnvolle Vergleichsgrundlage heranziehen …“
Antworten Sie jedoch im Imperativ, ist die Verhandlung vorbei und die Entscheidung muss fallen: „Sie haben jetzt alle Fakten und müssen bitte entscheiden“, „Sie müssen selbst Ihre Wahl treffen“, „Ich kann Ihnen nicht mehr entgegenkommen. Jetzt sind Sie dran …“
Wenn Sie nämlich mit dem Konjunktiv antworten, ist der Einkäufer geradezu verpflichtet, weiter zu verhandeln. Daher ist es notwendig, ihm durch den Imperativ zu zeigen, dass er sich nun entscheiden muss. Denn nur dann kann er auch eine Entscheidung treffen.
Einwandbehandlung mit Vernunft statt Emotion
Häufig werden in der Geschäftswelt einzelne Leistungsdaten von Produkten oder Dienstleistungen theoretisch verglichen. Und obwohl wir wissen, dass Entscheidungen nicht auf der Basis von Fakten getroffen werden, spielen Einkäufer trotzdem mit vermeintlichen Nachteilen im Vergleich von Fakten.
Lassen Sie mich dies an einem Beispiel verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn der langjährige Porsche-911-Kunde zum Händler geht und wutentbrannt einen Stapel Projekte auf den Tisch seines Verkäufers knallt? „Da schau! Das haben die mir geschickt! Das ist der neue BMW M3! Mehr Leistung als der aktuelle 911, besseres PS-Gewicht, vernünftiger Kofferraum und vier echte Sitze! Und das Beste: Er kostet nur zwei Drittel. So, jetzt bist du dran!“ Wie wird der gut ausgebildete Porsche-Verkäufer jetzt wohl die Einwandbehandlung angehen?
Überlegen wir zunächst, was ein schlecht ausgebildeter Verkäufer antworten würde. Und betrachten wir das einmal mit den vier Ohren von Schulz von Thun:
Das Appell-Ohr versteht: „Du bist zu teuer. Ändere den Preis!“ Wer mit diesem Ohr hört, wird auf die Aufforderung reagieren. Entweder gefällig, indem man die Möglichkeiten zum Nachlass offen legt, oder rebellisch, indem man dem Kunden trotzig anbietet, so einen „Proleten-Schlitten“ ruhig mal auszuprobieren, damit er sieht, was man an einem 911er hat.
Das Selbstoffenbarungs-Ohr versteht: „Ich bin doch nicht doof und kaufe schlechte Leistung zu hohem Preis!“ Wenn der Verkäufer mit diesem Ohr zuhört, dann wird er jetzt vielleicht versuchen, den Preis zu erklären und mit vielen Worten zu erläutern, warum der M3 zu Recht günstiger verkauft wird als der wesentlich bessere 911.
Das Beziehungs-Ohr versteht: „Nach allem, was ich als Kunde für dich als Verkäufer getan habe, solltest du mich nicht so ärgern!“ Dieses Ohr wird den Verkäufer wohl dazu verleiten, mit einem Beziehungsvorwurf zu kontern. Dann geht das Gespräch eher in die Richtung, dass man erklärt, man habe schon beim letzten Mal einen Sonderpreis gegeben und müsse schließlich auch noch etwas verdienen.
Alle drei Reaktionen sind emotionale Reaktionen auf eher emotionale Befindlichkeiten des Kunden. Das ist verständlich, aber nicht sonderlich hilfreich. Besser wäre es, wenn man als Verkäufer in der Lage ist, für einen kurzen Moment die eigenen Emotionen zu kanalisieren und zunächst rein rational über die Aussage des Kunden zu befinden.
Das klappt, wenn man das Sach-Info-Ohr zu Rate zieht und damit hört: „BMW verkauft seinen M3 zu einem Drittel günstiger als Porsche den 911.“ Diese Aussage ist nicht verletzend. Man spürt kaum den Wunsch, emotional darauf zu reagieren. Die Antwort könnte eher lauten: „Ja. Stimmt.“ Und dann vielleicht im Anschluss eine Frage: „Was bedeutet das für Ihren neuen 911er?“
Bestimmt merken Sie, worauf ich hinauswill. Man kann sich in der Einwandbehandlung darauf einstellen, Aussagen des Kunden ausschließlich mit dem Sach-Info-Ohr zu hören. Dazu können Sie die anderen Ohren gedanklich zukleben und sich ausschließlich auf die sachliche Aussage konzentrieren. Lassen Sie mich die bisherigen Ideen zur Einwandbehandlung zusammenfassen.
Immun gegen Tricks der Einkäufer bei der Einwandbehandlung
1. Wenn Sie sich selbst in die Haltung bringen, dass Sie „über alles reden können, nur nicht über den Preis“, dann verschaffen Sie sich Preisstabilität.
2. Verschließen Sie Ihre Ohren gegen störende Emotionalisierungen der Kundenaussagen und verstärken Sie dafür die Sach-Informationen.
3. Achten Sie darauf, dass Sie mit Ihren Aussagen die Entscheidung des Einkäufers ermöglichen, indem Sie ihm klar machen, dass die Verhandlung beendet ist und die Entscheidung beginnen kann.
Ihr Stephan Heinrich
Siehe auch: Preisverhandlungen – Die alten Mythen vom Rabatt
Bild: Antti | flickr.com | CC by 2.0 | Ausschnitt