Kaufmotive: Warum wir kaufen oder auch nicht
Es gibt sicher viele Dinge, die mir zwar nutzen würden – und doch unternehme ich nichts. Das gilt zum Beispiel für die alten Fenster in meiner Wohnung, die ich austauschen lassen könnte. Eine Kosten-Nutzen-Rechnung würde mir Recht geben, denn die Investition würde sich nach spätestens zwei Jahren durch eingesparte Heizkosten gelohnt haben. Was hindert mich also daran? Eigentlich nichts. Und was bewegt mich dazu, mich dafür zu entscheiden, gerade jetzt einen Handwerker zu beauftragen? Auch nichts. Und so bleibt alles, wie es ist.
Berücksichtigung des Handlungsdrucks
Und da liegt auch schon der Hund begraben. Denn der Status Quo, der aktuelle Zustand, erscheint schlichtweg bequem genug, um weiter darin zu verharren. So mag man sich denken: „So, wie es gerade ist, kann es genauso gut noch eine Weile bleiben. Eine Entscheidung kann ich ja immer noch treffen“. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass eine reine Berücksichtigung eines Kosten-Nutzen-Verhältnisses, aus dem sich der ROI einer Investition ableiten lässt, nicht genügt. Wir müssen auch den Handlungsdruck berücksichtigen. Der Nutzen ist zwar die unumgängliche Voraussetzung, das Kaufmotiv aber ist der Auslöser der Entscheidung.
Kaufmotive frühzeitig ermitteln, um Blindleistungen zu vermeiden
Viele Vertriebsorganisationen machen den Fehler, diese einfache Weisheit zu ignorieren, mit der Folge, dass unverhältnismäßig hohe Blindleistungen zu tragen sind. Unbezahlte Aufwände wie Reisekosten, Teststellungen, aufwendige Angebote oder Konzepte, die vor der Kundenentscheidung von der Vertriebsorganisation zu leisten sind, gehen zu oft ins Leere. Dabei lässt sich all das ganz einfach vermeiden, wenn Verkäufer schon beim ersten Gespräch die Ohren spitzen und versuchen, die möglichen Kaufmotive zu ergründen.
Motiv an die Oberfläche bringen: Die Folgen des Status Quo
Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass die Motive oft im Verborgenen schlummern. So wissen viele Kunden zwar, dass sie etwas tun sollten, weil die aktuelle Situation dem Unternehmen nicht gut tut, können dies jedoch nur in den seltensten Fällen klar benennen. Deshalb ist es für Verkäufer und Berater wichtig, die Kaufmotive an die Oberfläche zu bringen. Gelingen kann dies, indem wir im Gespräch ganz deutlich auf die möglichen Folgen des Status Quo hinweisen.
Beispiel: „Wir haben über die konkreten Probleme gesprochen, die wir jetzt gemeinsam lösen wollen. Ich verrate Ihnen sicher kein Geheimnis, wenn ich sage, dass viele Unternehmen ähnliche Probleme haben und nichts dagegen unternehmen. Was treibt Sie dazu, jetzt das Problem abzustellen?“
Viele Verkäufer scheuen sich vor derartigen Fragen, weil sie glauben, den Kunden damit erst darauf hinzuweisen, dass er das Produkt oder die Dienstleistung eigentlich nicht braucht. Sie befürchten, dem Kunden mit einer solchen Frage die Investition auszureden. Ich bin überzeugt, diese Befürchtung leicht entkräften zu können. Denn: Der Kunde wird sich unmittelbar vor der Investitionsentscheidung diese Frage ohnehin stellen. Er wird genau prüfen, ob der Zeitpunkt passt.
Das heißt, würden Verkäufer frühzeitig erkennen, dass der Kunde zu wenige Handlungsmotive hat – auch dann, wenn intensiv danach geforscht wurde – könnten sie ihre Zeit und Aufmerksamkeit einem anderen potentiellen Kunden zuwenden. Sie sollten sich also bewusst machen, dass sich der Kunde die Frage nach dem Zeitpunkt so oder so stellen wird. Dann wird klar, dass es aus Sicht des Verkäufers ratsam ist, wenn sich der Kunde mit dieser Frage in seinem Beisein auseinandersetzt und dem Verkäufer damit die Möglichkeit gibt, noch einzuwirken.
Ihr Stephan Heinrich
Siehe auch: Nutzenerwartung im Verkaufsgespräch ermitteln
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