Mehr Schlagfertigkeit im Verkaufsgespräch
Viele kennen die Ansprache von Hans-Dietrich Genscher vom 30. November 1989, als er den DDR-Bürgern in Prag verkündete, dass eine Ausreise in die damalige Bundesrepublik möglich geworden sei. Nur wenige aber kennen die Anekdote von Hans-Dietrich Genscher, die sich einige Jahre zuvor an der Universität zu Köln zugetragen haben soll. Im größten Hörsaal der Universität war Genscher gerade dabei, sich am Rednerpult auf eine Vorlesung vorzubereiten, während sich der Saal nach und nach mit Studenten füllte. Plötzlich jedoch ging ein Student auf ihn zu, baute sich mit verschränkten Armen vor ihm auf und sagte laut und deutlich, so dass es alle hören konnten: „Arschloch!“ Dann wartete er auf eine Reaktion. Genscher blieb gelassen, lächelte und sagte: „Das ist ja niedlich. Mein Name ist Genscher …“ Mehr Schlagfertigkeit geht kaum!
Mit mehr Schlagfertigkeit in die Preisverhandlung
Wenn es um Preisverhandlungen in Verkaufsgesprächen geht, werden Verkäufer häufig mit unangenehmen Aussagen konfrontiert. Geschulte Profi-Einkäufer, aber auch Unternehmer und Führungskräfte können nämlich sehr kreativ sein, wenn es darum geht, den Verkäufer aus dem Konzept zu bringen. Aber stimmt das wirklich? Sind es immer neue Aussagen oder ist es nicht vielmehr so, dass die Aussagen der Einkäufer an den Fingern abgezählt werden können?
Ich persönlich bin davon überzeugt, dass Genscher nicht unbedingt spontan den Einfall zu dieser schlagfertigen Antwort hatte, sondern er wurde vermutlich schon vorher mit einer ähnlichen Situation konfrontiert. Sicher ging es ihm so, wie den meisten von uns: Die richtig guten Antworten fallen uns immer erst Stunden oder sogar Tage später ein. Vielleicht hat er sich bei einer dieser Gelegenheiten vorgenommen, sich diese geniale Antwort zu merken und bei der nächsten Beleidigung scheinbar spontan unterzubringen.
Rabatt? Super Gesprächsthema
Warum also sollten Sie nicht genau dasselbe tun, wenn Einkäufer ihre Tricks ausprobieren? Eine gute Vorbereitung ist dabei alles! Ein Meister dieser Vorbereitung ist mir einmal begegnet, als ich noch Geschäftsführer der deutschsprachigen Niederlassung eines US-amerikanischen Softwareunternehmens war. Bei einem neuen Mitarbeiter hatte es eine Unregelmäßigkeit bei seiner Reisekostenabrechnung gegeben, weswegen ich diese kontrollieren sollte. Es ging um eine Quittung für einen Bildband, der für 78 DM bei Hugendubel erstanden worden war. Fast 80 DM für ein Buch in der ersten Spesenabrechnung? Das fand ich ziemlich frech und wollte den jungen Mann zur Rede stellen.
Er kam mit seiner Aktenmappe in mein Büro, nahm mir gegenüber Platz und noch bevor ich etwas sagen konnte, legte er los: „Also Chef! Ich habe ja schon meine ersten Kundenprojekte angestoßen und will bald das erste abschließen. Da rechne ich damit, dass ich auch in Einkäufergespräche gebeten werde und da will ich gut vorbereitet sein.“ Als ich schon Anstalten machen wollte, ihn zu unterbrechen, setzte er an: „Und wenn ich dann dem Einkäufer gegenüber sitze, so wie jetzt hier, dann wird der früher oder später ein wenig aggressiv sagen: Lassen Sie uns mal über Rabatt sprechen! Und dann antworte ich: Ja, darauf bin ich vorbereitet und greife zu meiner Tasche.“
Er holte den Bildband aus seiner Tasche, schlug mit einem charmanten Lächeln eine Seite auf, in der sich ein Lesezeichen befand und sagte: „Mir gefällt am besten dieses Minarett“. Erst jetzt sah ich, dass es ein Bildband über Marokko war und eine Luftaufnahme der Stadt Rabat zeigt. Ich musste grinsen. Bestimmt ahnen Sie es: Ich habe die Spesen gezahlt und sogar angeregt, dass die anderen Verkäufer ebenfalls so vorbereitet in das Gespräch gehen.
Technik für mehr Schlagfertigkeit
Mehr Schlagfertigkeit kann man durchaus trainieren, und zwar indem man sich typische Kundenaussagen, wie beispielsweise „Lassen Sie uns über Rabatt sprechen“ nimmt. Oder: „Sie glauben doch wohl nicht, dass ich die Versandkosten bezahle!“
Wenn man sich nun auf den bloßen Sach-Inhalt des Satzes konzentriert, ist die eigentliche Botschaft: „Der Kunde möchte keine Versandkosten bezahlen“, was nichts anderes heißt als: „Der Kunde möchte es nicht zugesandt bekommen.“ Dann kann man mit einem Lächeln im Knopfloch sagen: „Ok. Und wie kommen Sie dann an Ihre Ware?“
Das Prinzip ist hier wie beim Bildband und der Geschichte mit Genscher immer gleich:
- Typische Kundenaussage aufschreiben.
- Emotionen abschalten und die Sach-Information verstärken.
- Die Aussage rein sachlich so interpretieren, dass sie leicht verdaulich wird.
- Eine pfiffige Antwort auf die schwer verdauliche Kundenaussage finden.
- Auswendig lernen, indem man sich die Situation bildlich vorstellt und dann die eigene Reaktion selbst laut vorspricht.
Dabei sollte man darauf achten, dass die Reaktion ohne großes Nachdenken kommt.
Leer im Kopf – die mentale Panik-Taste
Vor langer Zeit, als ich noch Vertriebsleiter war, bat mich ein Mitarbeiter, einen Termin für ihn wahrzunehmen. Der Hintergrund: Das Unternehmen, mit dem bereits alles verhandelt war und bei dem es bereits einen Vertrag mit einigen Jahren Laufzeit gab, hatte einen neuen Einkaufschef. Mir war klar: Sie würden mich so lange drangsalieren, bis ich irgendwann sagen würde: „Ja, ok ich mache Ihnen einen anderen Preis.“ Deshalb nahm ich mir vor, außer der Begrüßung nichts weiter zu sagen als: „Was wollen wir heute gemeinsam erreichen?“ Das war mein Panik-Satz.
Als ich dann am Verhandlungsort eintraf, war von den Einkäufern schon alles vorbereitet. Ein Raum mit der gefühlten Größe eines besseren Herrenklos, aufgeheizt auf 24 Grad, nichts zu trinken, drei Einkäufer und am winzigen Verhandlungstisch leider kein Platz mehr für meine Unterlagen. Kurz gesagt: die perfekte Inszenierung einer Verkäufer-Bestrafung.
Die Einkäufer wechselten sich damit ab, mich zu provozieren und zu beleidigen. Ich habe einfach immer nur stur und relativ entspannt gesagt: „Ok, und was wollen wir heute gemeinsam erreichen?“ Und zwar so lange, bis der Erste die Beherrschung verlor und den Raum verließ. Einen Versuch war es aus Sicht der Einkäufer durchaus Wert. Panik-Sätze sorgen dafür, dass man souverän bleibt und nichts passieren kann. Denn wenn Einkäufer Angst riechen, holen sie sich ihren Tribut.
Panik-Satz als Chance
Wer nämlich emotional bereits im roten Bereich ist, läuft Gefahr, dass Panik entsteht und das Gehirn teilweise abschaltet. Wenn ich aber vorher gelernt habe, dass ich in solchen Situationen, wo mir nichts mehr einfällt, einen Panik-Satz spreche, dann habe ich eine Chance, dieses Gespräch noch weiterzuführen.
Daher die klare Empfehlung: Bereiten Sie sich einen aus Ihrer Sicht „sprechbaren“ Panik-Satz vor. Lernen Sie ihn auswendig. Üben Sie ihn in unbeobachteten Situationen. Hören Sie auf den Klang. Finden Sie die richtige Aussprache und den passenden Rhythmus. Nutzen Sie einsame Autofahrten und sprechen Sie sich selbst einen oder mehrere Panik-Sätze bis zur absoluten Vertrautheit immer wieder vor.
Ihr Stephan Heinrich
12.03.2015
Siehe auch: Einwandbehandlung – „zu teuer“entkräften
Bild: jnyemb | flickr.com | CC by 2.0 | Ausschnitt